Da stehe ich nun also kopfschüttelnd vor dem rosa Lillifee-Fahrrad meiner dreijährigen Tochter und kann es nicht begreifen. Wie um alles in der Welt konnte das nur passieren? Wie kommt dieses Ungetüm in unser Haus? Ich habe das nicht gewollt
Ich bin Soziologin. Soziologen gehen erst einmal grundsätzlich davon aus, dass alles gesellschaftlich determiniert ist, wir also von unserer Umwelt lernen und diese bestimmt, wie wir uns entwickeln. Diese Sicht auf die Dinge hat den entscheidenden Vorteil, dass man sich dem Gedanken hingeben kann, man hätte irgendeinen Einfluss, man könne durch die richtige Gestaltung der Umwelt Einfluss auf was auch immer nehmen. Seit ich Mutter bin, gerät meine Weltanschauung immer mehr ins Wanken. Alles Genetik, denke ich oft. Wir können nichts dagegen tun. Aber ist das wirklich so?
Alles wohl durchdacht
Wir hatten alles sorgfältig überlegt. Die Farbe des ersten Strampelanzuges, der Bezugsstoff des Autositzes. Ja, wir hatten sogar allen Freunden und Bekannten, die sich genötigt fühlten, uns und das Kindchen zur Geburt mit Geschenken zu beglücken, auf einfühlsame Weise zu verstehen gegeben, dass wir eine neutrale Farbe für Spielzeuge und Kleidung bevorzugen würden. Alle hielten sich daran. Also trifft die Schuld nicht einmal die anderen.
Bei unserem Sohn lief auch alles nach Plan. Ich dachte mir, es muss doch möglich sein, ohne Himmelblau und Rosa eine Kindheit zu überstehen. Schon aus meinem soziologischen Selbstverständnis und dem Ehrgeiz heraus, nicht in dieses Horn der Geschlechterklischees zu blasen, wollte ich es wenigstens versuchen. Zugegeben, es spielten auch einige ästhetische (ich mag diese blassen Farben einfach nicht, da verschwindet alles irgendwie in einem seichten Brei) und praktische Überlegungen eine Rolle. Versuchen Sie mal, aus einem hellblauen Pullover einen Fleck heraus zu bekommen. Schlimmer als weiße Hemden, sage ich Ihnen. Da kann man ja noch mit scharfem Chlorreiniger loslegen. Aber bei Hellblau oder Zartrosa? Am Ende haben Sie den Fleck und drum herum einen etwas größeren ausgeblichenen weißen Rand auf pastellfarbenem Grund. Nicht schön. Das wusste man im Übrigen früher schon und Jungen wie Mädchen wurden in weiße Kleider gehüllt, damals aus kochfester Baumwolle.