Vorsorge und Wochenbett – immer mehr Frauen unversorgt
Ein Mangel, der sich schon in der Schwangerenvorsorge und ebenso in der Wochenbettbetreuung bemerkbar macht. Frauen berichten von zwei Phänomenen. Wollen sie in der Vorsorge sowohl die Leistungen der Hebammen als auch die ärztliche Vorsorge in Anspruch nehmen, bekommen sie oft Ärger mit ihren betreuenden Gynäkologen. Die wollen die Schwangerenvorsorge allein machen und finden höchstens den Geburtsvorbereitungskurs bei der Hebamme empfehlenswert. Dabei erlauben die Kassen ausdrücklich eine geteilte Vorsorge. Was viele nicht wissen: Auf dem Rücken der Schwangeren wird seitens der Fachärzte hier ein Verteilungskampf ausgetragen. Leider führt das auch dazu, dass die Frauen oft zu spät den Hinweis erhalten, sich um eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung nach der Geburt zu suchen. Im Ergebnis bleiben deshalb nach der Geburt viele Frauen mit ihren Neugeborenen unversorgt.
Das Marktforschungsinstitut SKOPOS hat dazu im vergangenen Jahr 1.000 Frauen befragt. Etwa ein Fünftel der Frauen hat keine Hebamme für das Wochenbett gefunden! Als Hauptgrund gaben die Frauen an, dass keine Hebamme in der Nähe verfügbar war. Etwa genauso viele Frauen beginnen erst im sechsten Monat oder später mit der Hebammensuche. Auch die Geburtshelferinnen bestätigen diesen Trend. Gerade in den großen Städten sind sie über Monate hinweg ausgebucht. Wer da erst im letzten Schwangerschaftsdrittel mit der Suche anfängt, kommt zu spät. In manchen Bundesländern sollen Hebammenzentralen helfen, eine Wochenbettbetreuung zu finden. Mehr Erfolg versprechen in aller Regel jedoch Empfehlungen über andere Frauen und Communities in den Sozialen Medien.
Nicht ohne meine Hebamme!
Doch ist es wirklich so schlimm, keine Hebamme zu haben? Ja! Hebammen sind die Fachfrauen für eine normale Geburt. Sie erkennen Pathologien und können ärztliche Hilfe rechtzeitig hinzuziehen. Im Wochenbett sind sie, auch das bestätigt die SKOPOS-Erhebung aus 2018 erneut, die ersten Ansprechpartnerinnen für Fragen rund um die Gesundheit der Neugeborenen und Mütter. Sie können bei Stillproblemen oder Fragen zur Flaschenfütterung helfen, sie erkennen Neugeborenengelbsucht oder Wochenbettdepression. Sie messen, wiegen, beurteilen, beruhigen.
Nicht von ungefähr gilt in Deutschland die Hinzuziehungspflicht. Keine Geburt, auch kein Kaiserschnitt, darf ohne Hebamme stattfinden. Anders als Ärztinnen und Ärzte dürfen sie Frauen unter der Geburt allein betreuen. Und dies ist, das belegen zahlreiche Studien, auch die sicherste Form der Geburtshilfe.
Politik handelt nicht
Wer sich nicht um Hebammen kümmert, dem sind auch die etwa 780.000 gebärenden Frauen, ihre Kinder und deren Väter egal. Sie sind die wahren Betroffenen der Misere. Die Politik indes gibt sich seit Jahren handlungsunfähig. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verwaltet den Mangel. Zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten haben sich deshalb mittlerweile in Vereinen zusammengeschlossen. So finden sich beispielsweise im „Netzwerk der Elterninitiativen für Geburtskultur“ verschiedenste Initiativen, wie der Verein Mother Hood e.V., die sich auch auf politischer Ebene des Themas annehmen. Dennoch: „Hebammen? Da haben wir doch schon ganz viel gemacht!“, das hören die Frauen und Männer, die sich engagieren, immer wieder aus der Politik, um dann in der Realität festzustellen, wie sich von Jahr zu Jahr die Zustände verschlechtern.
Jüngst machte Jens Spahn mit den Plänen zur Akademisierung der Hebammen von sich reden. Diese ist zweifellos notwendig und entspricht einer Vorgabe der EU. Verbessern wird sie die Lage jedoch nur, wenn sie auch dazu führt, dass Hebammen ausreichend bezahlt und zu vernünftigen Bedingungen beschäftigt werden. Dafür muss deutlich mehr Geld in die Geburtshilfe fließen. Die Finanzierung des Gesundheitswesens honoriert nur den medizinischen Eingriff und nicht das, was eine gute Geburtshilfe ausmacht: Zeit und menschliche Zuwendung.
„Ich bin doch keine Maschine!“, singt Tim Bendzko. Genau, Frauen sind keine Gebärmaschinen. Sie haben das Recht auf eine bestmögliche Versorgung vor, während und nach der Geburt – begleitet von der Hebamme ihres Vertrauens. So viel sollte uns die Zukunft dieses Landes doch wert sein.