Wie ist dieser Transmissionseffekt auf Scheidungskinder zu erklären?
Im Grunde gibt es drei theoretische Perspektiven und mögliche Erklärungen (2).
Die erste Hypothese der ökonomischen Deprivation geht davon aus, dass sich die materielle Situation der Kinder in Scheidungsfamilien verschlechtert, was wiederum Auswirkungen auf Schuldbildung und Erziehung und ein früheres Verlassen des Elternhauses zur Folge haben kann. Die jungen Erwachsenen übernehmen eher die Rolle und Verantwortung von Erwachsenen und gehen früher Beziehungen ein. Diese „jüngeren“ Ehen sind wiederum weniger stabil (auch wegen der noch nicht abgeschlossenen Identitätsentwicklung) und ökonomisch nicht so gefestigt, was den wirtschaftlichen Stress und damit das Risiko für Beziehungskonflikte erhöht.
Eine zweite Hypothese besagt, dass es eine generationsübergreifende Übertragung von „heiratsfähigen“ Eigenschaften und Beziehungsfähigkeiten gibt. Auseinandersetzungen und eheliche Konflikte können einen langfristigen Einfluss auf die Eigenschaften und das Verhalten der Kinder haben. Kinder lernen von ihren Eltern, wie man Beziehungen lebt, sie beobachten die Interaktion der Eltern, lernen wie man Konflikte löst. Auch wäre es möglich, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften (insbesondere der Mütter) entweder vermittelt über die Genetik als auch über das Lernen an die Kinder weitergegeben werden und sie ebenfalls zu heiratsfähigen oder weniger heiratsfähigen Partnern macht. Bestimmte Eigenschaften, wie Gewissenhaftigkeit, Empathie oder auch die Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen und Probleme zu lösen, steigern die Attraktion auf einen potentiellen Partner.
Als drittes Erklärungsmodell wird die Möglichkeit diskutiert, dass Kinder, die miterleben, wie Eltern ihre ehelichen Verpflichtungen brechen, dass Beziehungen aufgelöst werden können und dass man sich neue Partner suchen kann, die den Bedürfnissen des Einzelnen besser entsprechen, könnten später in ihren eigenen Beziehungen ebenfalls weniger Hemmungen haben, diese aufzulösen und sich weniger involviert und verpflichtet fühlen, diese aufrecht zu erhalten.