Am nächsten Tag erhielt Richard selbst von der Mutter seiner Tochter eine unmissverständliche E-Mail:
„Halte Lea von deiner Neuen fern. Noch sehr lange, am Besten für immer. Sonst wird es nie einen Waffenstillstand geben. Und ich werde schon gar nicht meine Emotionen zügeln. Finde dich damit ab, dass du deine neue Beziehung auf Scherben aufgebaut hast.“
Sandra und Richard wurde klar, dass ein langer Weg vor ihnen liegen würde, den sie gemeinsam durchstehen mussten. Und so ließen sie es mit Lea langsam angehen und vermieden gemeinsame Treffen, in der Hoffnung, dass Richards Ex-Frau sich nach dem ersten Schreck wieder beruhigen würde.
Nach einem Dreivierteljahr wagten sie einen erneuten Versuch, da Richards Mutter in der Stadt war und allen an einem gemeinsam verbrachten Abend gelegen war. Lea wurde gefragt, sie war einverstanden, es sollte ins Theater gehen. Doch eine Stunde vor der Abfahrt stand das Mädchen weinend und verzweifelt vor Richards Tür, weil Mama es so traurig mache, wenn sie Sandra heute träfe. Mama habe geweint, sie müsse ihr als Tochter doch helfen, sie wisse nicht, was sie machen solle. Die Eskalation war perfekt. Sandra erklärte sich bereit, auf den Theaterbesuch zu verzichten, erzählte aber, wie wütend sie gewesen war und wie hilflos sie und Richard sich gefühlt hatten: Wie konnte und sollte man sich verhalten, wenn die Mutter die Gefühle der Tochter so offensichtlich zu ihren Gunsten hin manipulierte? Sollte man den ihnen zustehenden Kontakt zur Tochter erzwingen, notfalls gerichtlich?
Richard ging zu seiner Anwältin. Sie teilte ihm mit, dass das Verhalten der Mutter gegen die Wohlverhaltensklausel verstieße – und er gegebenenfalls auf einen freien, ungestörten Umgang klagen könne. Dann würde allerdings die Tochter vor Gericht befragt. Das wollten ihr Richard und Sandra natürlich ersparen.
Als nächstes sprach Richard bei der Erziehungsberatungsstelle des Bezirksamts vor. Die Psychologin empfahl einen gemeinsamen Mediationstermin und lud zunächst die Mutter vor, damit sie ihre Sicht der Dinge darlegen könne. Die Mutter nahm den Termin wahr – allerdings nur um klar auszudrücken, dass sie sich an einem Mediationsgespräch nicht beteiligen würde.