Wenn ein Paar sich trennt, bleiben oft verletzte Gefühle zurück. Vor allem die Kinder leiden, wenn die Eltern nicht mit den ihren Emotionen klar kommen. Unsere anonyme Gastautorin erzählt in ihrer ergreifenden Reportage von solch einem Fall
Es begann alles ganz entspannt und verheißungsvoll vor vier Jahren, als es zum ersten gemeinsamen Treffen zwischen Sandra, ihrem Freund Richard und seiner damals 13-jährigen Tochter Lea kam. Richard lebte seit einigen Monaten von seiner damaligen Ehefrau getrennt. Er hatte die Scheidung eingereicht, weil beide über längere Zeit Affären hatten und er keine gemeinsame Zukunft mehr sah. Lea hatte von sich aus den Wunsch geäußert, seine neue Partnerin kennenzulernen.
Sandra nannte das bevorstehende Treffen „das Gipfeltreffen“. Alle waren aufgeregt vorher, jeder auf seine Weise. Sandra und Richard hatten das Treffen sorgfältig geplant: Nicht zu lang sollte es dauern, Lea sollte sich nicht überfordert oder unwohl fühlen. Sandra hatte Hühnerfrikassee gekocht, weil sie von Richard wusste, wie sehr Lea das mochte. Doch das alles waren natürlich Äußerlichkeiten: Am Ende würde es darauf ankommen, ob die Chemie zwischen ihnen stimmte – und ob Lea bereit war zu akzeptieren, dass ihr Papa eine neue Frau hatte. Sandra erinnert sich, dass sie anfangs kaum sprechen konnte, weil ihr Mund vor Nervosität ganz trocken war. Und dass sie sich dann einfach entschloss, ganz offen ihre Aufregung zuzugeben – da war das Eis schon gebrochen. Lea wirkte fröhlich, führte Kartentricks vor, sie aß mit Begeisterung das Frikassee und für alle drei blieb das Gefühl zurück, dass der erste Schritt gelungen war und damit der erste, zaghafte Schritt in eine Zukunft als Patchwork-Familie gegangen war.
Doch schon am Abend kam die Ernüchterung. Richard hatte seine verzweifelte Tochter am Telefon, die berichtete, wie wütend und traurig die Mama gewesen sei, als sie erfuhr, dass Lea „die Neue“ ganz nett fand. Hemmungslos geweint habe sie vor der Tochter, laut sei sie auch geworden und habe ihr klar gesagt, dass sie es nicht dulden werde, dass Lea noch einmal mit „dieser Person“ zusammenträfe. Sogar ein gemeinsames Abendessen hatte sie Lea verweigert. Für Lea war dabei am schlimmsten die Äußerung, dass Lea sie, ihre Mutter, traurig mache, sollte es wieder zu einem Treffen kommen. Lea sah sich nun in dem Druck, ihrer in ihren Augen unglücklichen, einsamen und verlassenen Mutter gegen den Vater nicht nur beistehen zu müssen, sondern nun auch für das Wohl und Wehe ihrer Mutter mitverantwortlich zu sein.