Warum Männer eine volle Windel nicht bemerken

Wie kommt es z.B. dass Männer eine volle Windel nicht bemerken? Und warum wachen Sie nachts nicht auf, wenn das Baby sich regt? Letzteres Phänomen wird übrigens als Ammenschlaf bezeichnet und ist laut Wikipedia „eine vorübergehende Veränderung im Schlafverhalten einer Bezugsperson eines Säuglings, bei dem vom Kind ausgehende Signale selbst schwacher Intensität zum Wecken der Bezugsperson führen, weitaus stärkere Reize anderer Herkunft hingegen noch nicht.“ Interessanterweise funktioniert das nur beim eigenen Kind bzw. bei dem Kind, für das man sich verantwortlich fühlt. Die Definition lässt ebenso offen, ob die Bezugsperson weiblichen oder männlichen Geschlechts ist.

Denn abgesehen von der psychologischen Komponente des „sich verantwortlich Fühlens“, auf das wir gleich noch einmal zu sprechen kommen, gibt es ja das schon bei Männern erwähnte Phänomen der Co-Schwangerschaft (siehe Couvade-Syndrom), das erklärt, dass Männer sich auf ihre neue Rolle als Vater kognitiv und körperlich einstellen. Prinzipiell könnten sie also genauso schnell senkrecht im Bett sitzen, wenn das Baby ein leises Grummeln von sich gibt. Tun sie aber oft nicht.

“Du, ich glaube, die Windel ist voll, kannst du mal schauen?“

Und mit der Windel ist es so ähnlich. Mama kommt ins Wohnzimmer, wo Kleinkind und Vater gemeinsam vor sich hin kruschteln, und fällt fast hinten über, während Papa auf ihre panisch klingende Frage „Sag mal, riechst Du nicht, dass die Windel voll ist?!“ stoisch behauptet, es sei ihm gar nicht aufgefallen. Da wir nicht einmal im Ansatz darüber nachzudenken brauchen, dass irgendein Mann auf dieser Welt wirklich glaubt, wir kaufen ihm dieses fadenscheinige Argument ab, darf man sich an dieser Stelle fragen, was wirklich dahintersteckt.

Andere ebenso unglaubwürdige Argumente, die da männlicherseits in den Raum geworfen werden sind: „mir wird davon übel“, „Du kannst das viel besser“, „das Baby möchte viel lieber von Dir gewickelt werden“ oder „ich will ihm nicht weh tun“. Ganz Ausgefuchste gehen die Sache etwas hintergründiger an und würden ihrer Liebsten in oben beschriebener Szene mit dem Satz zuvorkommen „Du, ich glaube die Windel ist voll, kannst Du mal schauen?!“. Manche fügen etwas leiser hinzu, dass sie etwas Wichtiges (ähnlich Unangenehmes, z.B. Müll rausbringen, Steuerunterlagen zusammensuchen) zu erledigen hätten.

Also eine Lupe habe ich bei keiner einzigen der (grob geschätzt) 10.378 in den ersten beiden Lebensjahren meiner zwei Kinder verbrauchten Windeln benötigt, um den Windelinhalt zu erkennen. Und wenn ich zwischen Windel und Müll wählen müsste, würde meine Wahl auch klar zugunsten des Gangs zur Mülltonne ausgehen. Allein der Frischluft wegen.

Ein wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen plötzlichem Versagen von Ohren, Nase und Augen im Zusammenhang mit den Körperregungen des Mündels konnte überdies nie nachgewiesen werden.

Die Bengel-Konstante

Auch treten alle beschriebenen väterlichen Wahrnehmungsdefizite nur auf, wenn die Frau zuhause ist. Wenn wir mal für einen Nachmittag das Haus verlassen und die Mischpoke sich selbst überlassen, klappt alles ganz wunderbar. Die Kinder sehen bei Rückkehr der Frau Mama weder verwahrlost noch sonst irgendwie vernachlässigt aus. Mit frischen Windeln, sauberen Mündern und fröhlich spielend, wird kaum Notiz von der Wiederkehrenden genommen. Eine Einschränkung: Bei mütterlichen Abwesenheiten unter einer Stunde klappt das nicht.


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