Kinder lernen sich, ihren Körper und ihre Gefühle kennen. Dazu gehört auch die Selbststimulation. Dabei unterscheiden sie nicht zwischen dieser Aktivität und anderen, die auch Spaß und ein gutes Gefühl machen. Es ist ihnen also überhaupt nicht peinlich oder schambesetzt in aller Öffentlichkeit zu masturbieren. Sie bewerten die verschiedenen Genussmöglichkeiten eben nicht. Ganz im Gegensatz zu uns Erwachsenen.
Erwachsene Sexualität vs. kindliche Sexualität
Eines sollten wir uns bewusst machen, unsere erwachsene Sexualität unterscheidet sich in zentralen Punkten von der kindlichen. Für uns existiert Sexualität immer nur im Kontext der gesellschaftlichen Bedingungen und Regeln. Wir sind nicht frei, unvoreingenommen, ohne Bewertung und Beziehung. Sexualität befriedigt nicht, wie ganz am Anfang noch bei unseren Kindern, nur unsere Neugier und Freude, sondern kann eben auch Hemmungen und Unwohlsein auslösen. Wir wissen und fürchten um ihr Verletzungspotential und ihre Sprengkraft. (1)
„Sexualität ist das, was wir daraus machen: Eine teure oder billige Ware, ein Mittel der Fortpflanzung, eine Kommunikationsform, eine Waffe der Aggression (Herrschaft, Strafe, Macht, Unterwerfung), ein Sport, Liebe, Kunst, Schönheit, ein idealer Zustand, das Böse, das Gute, Luxus oder Entspannung, Flucht, ein Grund der Selbstachtung, ein Ausdruck der Zuneigung, eine Art Rebellion, eine Quelle der Freiheit, Pflicht, Vergnügen, Vereinigung mit dem All, mystische Ekstase, indirekter Todeswunsch oder Todeserleben, ein Weg zum Frieden, eine juristische Streitsache, eine Art, menschliches Neuland zu erkunden, eine Technik, eine biologische Funktion, Ausdruck physischer Gesundheit oder Krankheit, oder einfach eine sinnliche Erfahrung“ (2).
Unsere Kinder hingegen erleben zunächst einmal nur sich und ihren Körper. Ohne Bewertung. Ohne Beziehung. Ohne Hintergedanken. Ohne Vorannahmen. Es ist die reine Entdeckerfreude. Wenn wir das fehlinterpretieren und unsere (erlernten) Bewertungen auf das kindliche Verhalten übertragen, dann werden wir unsicher. „Da, wo kindliche Sexualität den Charakter des „Unschuldigen“ verliert, irritiert sie Erwachsene und schafft Verhaltensunsicherheit: Die gelernte Befangenheit der Erwachsenen stößt sich an der Direktheit kindlicher sexueller Neugier und Lust(-suche).“ (3)
Wie funktioniert die kindliche Sexualität
In jedem Lebensabschnitt hat Sexualität eine andere Bedeutung und Ausdrucksform. Schon im Mutterleib beginnt die sexuelle Entwicklung. So konnte man männliche Föten dabei beobachten, wie sie ihre Genitalien manipulieren. (4)
Es lassen sich folgende Merkmale der kindlichen Sexualität herausarbeiten (3) (5):
- Mit allen Sinnen
Sigmund Freud bezeichnete Kinder als polymorph pervers veranlagt. In der kindlichen Sexualität geht es primär darum, den eigenen Körper und die Welt um sich herum wahrzunehmen. Dies geschieht mit allen Sinnen. Kinder sind im Gegensatz zu Erwachsenen, die vorrangig genital orientiert sind, vielseitig ansprechbar und lernen so grundlegende Empfindungen wie Wohlbefinden oder Unbehagen zu unterscheiden. Es fühlt sich für sie gut an, darum machen sie es (maximaler Lustgewinn). - Egozentrisch
Die kindliche Lustsuche ist dabei zunächst egozentrisch orientiert. Es geht dem Kind darum, sich selbst wohl zu fühlen, nicht darum, andere zu befriedigen oder auszudrücken, dass es jemand anderen gernhat. Dieser starke Ich-Bezug in Bezug auf Nähe und Geborgenheit wandelt sich bis zum Erwachsenenalter. Erwachsene Sexualität ist eher beziehungsorientiert. - Spielerisch, spontan, unbefangen
Es gibt beim kindlichen Spiel zunächst keine Regeln, Vorannahmen oder Zweck, den sie verfolgen. Aus reiner Entdeckerfreude und Neugier geben sie sich spontan den Aktivitäten zur Lustgewinnung hin. Ganz gleich, welche es sind. - Nicht zielgerichtet und ganz gegenwärtig
Kindern geht es um das gegenwärtige Gefühl. Wie fühlt es sich genau jetzt an. Zufällig und aus dem Spiel heraus entdecken sie verschiedene Genussmöglichkeiten über ihren Körper. - Nicht bewusst
Es ist Kindern nicht bewusst, dass ihre Handlungen sexuell sind. Sie nutzen einfach alle spielerischen Gelegenheiten, um schöne Gefühle zu bekommen, egal welcher Art sie sind und wie wir als Erwachsene sie einstufen und bewerten. Kinder kennen diese Bewertung noch nicht.