Der Wirt aber hatte ganz ernstzunehmende sachliche Gründe, wie auch der Düsseldorfer Biergarten-Gastronom oder die Hamburger Café-Betreiberin. Alles Fälle, die es innerhalb des letzten Jahres in die Medien schafften. Sachbeschädigungen, Lärmbelästigungen, das Bewerfen von anderen Gästen mit Essbarem oder Nichtessbarem oder das Beschmieren von Tischen, Bänken und Wänden waren nur einige der erwähnten sachlichen Gründe. Und Hunde trugen vermutlich am wenigsten ursächlich dazu bei.
Kinderfreie Zonen: Geschicktes Zielgruppenmarketing
Logischerweise sind derartige Störungen für Gäste, die die ruhige und gesellige Entspannung suchend in die Gastwirtschaft einkehren, alles andere als einladend und damit geschäftsschädigend für den Wirt. Ist also der Ausschluss der kleinen Störenfriede „kinderfeindlich“? Ich denke nicht, denn der Störenfried als solcher ist austauschbar (denkbar wären erwähnte Hunde oder andere Haustiere, Aliens, sich daneben benehmende Ü-18-Jährige usw.). Nur ist die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Kinder Urheber derartiger als Belästigung empfundener Aufführungen sind, weitaus höher, als wenn z.B. der Opa aus dem Pflegeheim mitgebracht wird. Deshalb wird also die ganze Gruppe (der Kinder) verteufelt und ausgeschlossen. Sicher ist sicher. Die etwas geschicktere und weniger als Ausschluss empfundene (wenn auch zum gleichen Ergebnis führende) Formulierung „Nur für Erwachsene“ bringt die gezielte Ansprache der erwünschten Gruppe auf den Punkt. Derartiges Zielgruppenmarketing ist natürlich immer pauschalisierend, verspricht aber, so lernt es jeder angehende Betriebswirt in seiner ersten Marketingvorlesung, Erfolg.
Dass es für alle und alles spezielle Angebote gibt, ist ja keine neue Erfindung: Eltern-Kind-Cafés, Bars ab 18, Familienreiseangebote, Kreuzfahrten nur für Erwachsene, Seniorenturnen und kinderfreie Hotels. Sich auf der Hochzeitsreise in einem schicken Wellnesshotel einzubuchen, um dann im Schwimmbecken mit querspringenden 9-Jährigen zu konkurrieren, dazu hätte sicher keiner Lust. Und ehrlicherweise haben mein Mann und ich uns auf unserer letzten kleineren Kurzreise ohne unsere Kinder zum Abendessen auch den Tisch gesucht, der am weitesten entfernt von der Familie mit den drei kleinen Kindern war. Endlich mal eine Auszeit. Herrlich.
Wo ist also das Problem? Soll doch jeder Unternehmer seine Wunschtruppe anlocken. Oder?
Sind kinderfreie Zonen kinderfeindlich?
Gleich vorneweg, die Kinder sind nicht das Problem. Sie sind, wie sie sind und meistens laut und ungestüm. Klar kann man das nicht pauschalisieren, nicht jedes Kind rennt brüllend durch öffentliche Räume und zerstört wahllos Dinge. Kinder sind nun aber neugierig und unbedarft. Gesellschaftliche Konventionen lassen sie völlig unbeeindruckt. Aber was soll der Betreiber einer gastronomischen oder beherbergenden Unternehmung machen? Zutritt nur für „leise und ruhige Kinder mit Eltern“ auf das Schild schreiben? Oder die auffälligen und störenden dann vor aller Augen rauswerfen? Ist das besser?
Die Eltern sind das Problem
Eine Umfrage (2) hat ergeben, dass die allermeisten Leute sich vornehmlich gar nicht so sehr an den Kindern stören, sondern vielmehr an den Eltern, die sich ihrerseits nicht an ihren Kindern stören. Also nichts tun, um die eigenen Kinder auf die gebotene Rücksichtnahme hinzuweisen und dahingehend zu erziehen. Wenn ich sehe oder bewusst nicht sehe, dass mein Kind andere Leute mit (im besten Falle) Brot bewirft oder immer wieder ausprobiert, ob aus dem Salzstreuer auch wirklich Salz kommt und dieses auf Tischtuch, Fußboden oder gern auch den Kopf des Bruders verteilt und ich dann immer noch seelenruhig meinen Milchschaum vom Latte löffele, dann ist das ignorant und einfach rücksichtslos.
Dass Kinder im Flugzeug in die Rückenlehne des Vordermanns mit den Füßen treten, kann passieren, aber sie nach der dritten Wiederholung nicht aufzufordern, es zu unterlassen und zu erklären, dass es die Person vor ihm stören kann, hat nichts mit guter Erziehung zu tun. Wo, wenn nicht in der Interaktion mit anderen Menschen und im öffentlichen Raum sollen Kindern lernen, was Rücksichtnahme und Verantwortung bedeuten? Wie sollen sie lernen, sich in andere hineinzuversetzen, wenn man ihnen es nicht erklärt und in den entsprechenden Situationen darauf hinweist? Für das soziale Lernen muss man Kindern natürlich den Zugang zu sozialen Räumen ermöglichen. Aber die Lehrmeister – also an erster Stelle die Eltern – müssen sich natürlich zu benehmen wissen, sonst kommt am Ende raus, was nicht rauskommen soll.
Und genau damit, also dem Verhalten der Eltern, hadern mehr als die Hälfte der Befragten ohne Kinder unter 18 Jahren. Erst dahinter kommt die Lautstärke der Kinder als weiterer Nervfaktor.
Als ob wir keine Kinder hätten
Es ist im Grunde natürlich purer Egoismus und die Suche nach dem früher so liebgewonnenen urbanen und selbstbestimmten Genießen, dass wir Eltern mit unseren Kindern in die Cafés stürmen, denn für die Kinder ist das alles andere als unterhaltsam. Zur Bespaßung würde denen das heimische Wohnzimmer völlig ausreichen. Uns aber nicht, wir wollen den Austausch mit anderen (vorzugsweise Eltern) und das Gefühl haben, nicht isoliert in unser noch so schönen Vorortidylle zu hocken. Dieses Bedürfnis kann ich nur allzu gut nachvollziehen, wenn wir ihm jedoch folgen, sollten wir uns nicht beschweren über die oben erwähnten Beschwerden unserer Umgebung und uns darin üben, rücksichtsvoll tolerant zu sein. Also genau das, was in dieser Debatte oft von der sich angegriffen fühlenden Mütter- oder Väterschaft als fehlend angeprangert und Beweis für die „Kinderfeindlichkeit“ unserer Gesellschaft angeführt wird.