Auftakt unser neuen Reihe Paarweise. Natalie Prinz und Anne Winkler (Fotos) sammeln Liebesgeschichten und porträtieren Paare. Zum Verlieben
Seit fast zwei Jahren ein Paar. Patchworkfamilie mit zwei Töchtern (3 1/2 und 7). Leben in einem Häuschen im Grünen bei Berlin. Schicksal war es nicht, das sie zueinander geführt hat. Sondern generalstabsmäßige Planung von Freunden und Familie.
Also, das war So: Shkurte hatte eine sehr gute Freundin, Sophie, die leider vor einiger Zeit mit nur 24 Jahren an Krebs gestorben ist. Mit Sophies Cousine, Josie, war und ist Shkurte auch heute noch gut befreundet. Josie ist die Nichte von Dirk. Und Josies Vater, Sven, ist Dirks Bruder. Sven ist zudem der Schwager von Frank. Der wiederum der Vater von Sophie ist. Alles klar?
Über diese verschlungenen Pfade haben Shkurte und Dirk sich kennengelernt. In der schweren Zeit rund um den Tod von Sophie ist Shkurtes Kontakt zu deren Familie enger geworden. Von den Absprachen, die im Lauf der nächsten Wochen und Monate hinter ihrem Rücken getroffen wurden, ahnten die Beiden allerdings nichts.
Freunde und Familie hatten beschlossen: Shkurte und Dirk wären ein gutes Paar. Die bringen wir zusammen!
Dabei gab es nur eine augenscheinliche Gemeinsamkeit: Alleinerziehend. Die Biographien könnten ansonsten unterschiedlicher kaum sein. Shkurte ist in Albanien, im Kosovo, geboren, kam aber mit ihrer Familie schon als Achtjährige nach Berlin. Sie ist die perfekte Mischung aus beiden Kulturen. Ein zierliches, grade mal 1,60 m großes Temperamentsbündel, das mit Berliner Schnauze ohne Punkt und Komma redet. Und das so offenherzig und witzig, dass es eine wahre Freude ist. Shkurtes extreme Freiheitsliebe hat in ihrer Jugend zur Entzweiung mit der konservativen Familie geführt. Aber sie hat sich auch alleine durchgekämpft: Nachts als Vortänzerin im Club und Tagsüber als Babysitterin. Shkurtes Tochter, die Kleine, ist das Ergebnis eines „Partyausflugs“, wie sie es nennt. Aber Shkurte hat keine Sekunde gezögert, sondern ihre Schwangerschaft als Geschenk betrachtet. Sie liebt Kinder. Und arbeitet heute konsequenterweise als Erzieherin an einer Berliner Grundschule.
Dirk ist im Gegensatz dazu ein eher ruhiger Typ. Er muss auch gar nicht viel reden, denn mit seinen rotblond schimmernden Haaren und den faszinierenden, strahlend blauen Augen fällt er sowieso auf. Umso mehr, als er ganz in schwarz gekleidet ist, die Oberarme großflächig tätowiert. Dirk ist Heavy Metal Fan, fährt regelmäßig auf Festivals und hat als Tischler Freunden geholfen, eine in der Szene angesagte Bar aufzumachen: Das ‚Brutz und Brakel‘ in Berlin Friedrichshain. Dem Stadtteil, in dem er auch aufgewachsen ist.
Und jetzt ein kleiner Ort am Rand der großen Stadt. Kontrastprogramm. „Ist einfach schöner“, sagt Dirk. Vor allem mit Kind. Nach der Trennung von seiner damaligen Freundin ist die gemeinsame Tochter bei ihm geblieben. Ganz anders als Shkurte hat Dirk aber das große Glück, eine enge Bindung zu seiner Familie zu haben. Die Eltern wohnen gleich nebenan.
Heavy Metal auf der einen, Disco auf der anderen Seite.
Da muss die Leidensfähigkeit hoch sein. Zum davon laufen findet Dirk auch eigentlich nur die Balkanbeats, die Shkurte zwischendurch gerne mal hört. Ansonsten spielt Musik Zuhause keine große Rolle. Wenn Shkurte tanzen gehen will, dann macht sie das mit ihren Freundinnen. Einmal war Dirk mit. „Aber das ist nicht so mein Ding.“ „Man muss auch nicht alles zusammen machen. Dem Anderen Freiräume zu gewähren ist wichtig“, ergänzt Shkurte. Dirk auf einer Club-Tanzfläche, das kann man sich auch beim besten Willen nicht vorstellen. Umgekehrt geht Shkurte aber schon häufiger mit ins ‚Brutz und Brakel‘. „Da sind viele Freunde. Das ist lustig und dann kann ich die Musik gut aushalten.“ Auf Festivals lässt sie ihn lieber alleine fahren. „Das ist ja so ein Männerding.“
Zurück zu dem, was sich hinter ihrem Rücken abgespielt hat: Dirks Familie ist sehr gesellig und so ist es erstmal nicht weiter aufgefallen, dass man sich häufiger auf Partys getroffen hat. Über Josie war Shkurte ja quasi in die Familie integriert. Der Funke ist da noch nicht übergeflogen. Dirk fand sie schon hübsch. Und interessant. „Nicht so ein Mäuschen.“ Für sie aber entsprach Dirk nicht grade ihrem Beuteschema. Die roten Haare, das ging erstmal gar nicht. Und dann war Dirk auch so schüchtern. Da fehlten die Signale. Dann eben mit sanfter Gewalt, müssen sich die Freunde gedacht haben, und so wurden Beide zu einem Grillabend bei Frank (zur Erinnerung: der Schwager von Dirks Bruder Sven) eingeladen.
Dirk hat sich gewundert: „Das war schon komisch. Gut, man kennt sich und trifft sich auch hier und da mal. Aber wir sind jetzt nicht so eng.“ Bei Shkurte lief die Einladung über Josie. Mit Übernachtung, denn es würde sicher Alkohol im Spiel sein. Während des Abends war „zufällig“ immer ein Platz neben Dirk frei. So kam es erstmal, dass man sich über alles mögliche angeregt unterhalten und gerne zugehört hat. In der Nacht hat Josie Shkurte dann eröffnet, dass sie nun doch nicht bei ihr schlafen könne. Sie müsse, Notfall, eine andere Freundin bei sich aufnehmen. Aber Shkurte könne doch bei Dirk schlafen! Und weil eben Alkohol mit im Spiel war, ist es dann auch so gekommen.
Das war am Freitag, den 13. September 2013. Seitdem sind Shkurte und Dirk ein Paar. „Und deswegen feiern wir jetzt nicht jedes Jahr unseren Tag, sondern nur jedes sechste. Einen Freitag, den 13. gibt es im September nämlich nur alle sechs Jahre!“, erklärt Shkurte lachend.
Danach sind sie relativ schnell zusammengezogen. In dem Häuschen im Grünen, das Dirk selber sehr liebevoll ausgebaut hat. Die Kinder haben sich von Anfang an bestens verstanden, sind mittlerweile richtige Schwestern. Wollen sie noch ein gemeinsames Kind? „Wir wollten beide immer zwei Kinder, jetzt haben wir zwei Kinder. Punkt.“
Bei so unterschiedlichen Temperamenten, gibt es da auch etwas, was sie aneinander stört? Eigentlich nicht. „Nur die Klamotten, da musste ich am Anfang erstmal einen ganzen Müllsack voll entsorgen“, sagt Shkurte. „Alles so labbrig und kaputt teilweise. Er kann ja seine Sachen tragen, aber gepflegt darf es schon sein.“ Was hat denn Dirk davon gehalten? „War schon OK.“ „Er hat ja neue bekommen!“, antwortet Shkurte lachend. Nach längerer Überlegung ist das Einzige, was Dirk zu „stören“ einfällt, die Sache mit der Schokolade. Kurz vorm Schlafen gehen noch ein Stück Schokolade für die Mädchen, das findet er eigentlich nicht so toll. „Aber dann denk ich immer: Ach, dann mach halt.“ Klug, bei drei gegen einen.
Die Freunde hatten recht. Shkurte und Dirk SIND ein gutes Paar.