Anne und Jussuf sind seit 17 Jahren ein Paar. Die Beziehung hat schweren Stürmen standgehalten. Heute genießen sie ihre wenige Zeit zu zweit. Gastautorin Natalie Prinz genießt mit ihnen
Angefangen hat alles an ihrem damaligen Arbeitsplatz, einem großen Biergarten. Anne stand am Tresen und Jussuf, der sein Kochhandwerk in einem Sternerestaurant gelernt hat, in der Küche. Biergarten ist Saisonarbeit. Ein Knochenjob. Da bleibt nicht viel Zeit oder Kraft für anderes. Schon gar nicht, wenn man wie Jussuf zu dieser Zeit, zwei kleine Kinder und einen Haufen Probleme zu Hause hat. Und Anne hat sich richtig reingehängt in den Job, wollte ihre Leidenschaften zum Beruf machen: Gut essen, gut trinken, eine gute Gastgeberin sein. Biologie hat sie studiert – Gastronomin wollte sie sein.
Sie haben sich vom ersten gemeinsamen Arbeitstag an gut verstanden. Der damals schmale, blasse Jussuf und die immer noch patente, rothaarige Anne. Er leise und zurückhaltend, sie kein Blatt vor den Mund nehmend. Die Sorte Paar, bei dem man sich im Vorbeigehen auf der Straße fragt, wie es wohl zusammen passt. Was sie aneinander finden. Liebe geht durch den Magen. Hier passt der Spruch. Auch Anne kann sehr gut kochen und beide haben schon immer großen Wert auf die Qualität von Nahrungsmitteln gelegt. Da gehen die Themen nicht aus. Bald fragten die Kollegen: „Habt ihr was miteinander? Wenn ihr zusammen seid, ist immer so ein Regenbogen über euch.“ Hatten sie da aber noch nicht. Auch wenn Jussufs Ehe – nüchtern betrachtet – nicht mehr zu retten war, wollte er es wegen der Kinder doch noch weiter versuchen. Und es war nicht so, dass Anne sich mehr erhofft hätte.
Anfangs fanden sie sich einfach nur nett
Jussuf hielt Anne für so einen Freigeist. Dazu diese besondere Stimme. Die sie definitiv hat. Eher tief, gepaart mit einem ganz eigenen Tonfall. Selbst der markigste Satz kommt weich abgefedert aus ihrem Mund.
Im Jahr darauf war es dann endgültig aus mit Jussufs Ehe. Was die Situation nicht grade vereinfacht hat. Im Gegenteil. In der Zwischenzeit waren Anne und Jussuf gute Freunde geworden. Und als Jussuf in den Sommerferien mit seinen Töchtern zum Zelten an einen Brandenburger See wollte, bot Anne ihm an zur Gesellschaft für zwei, drei Tage vorbeizukommen. Alleinerziehend mit Kindern im Urlaub, da kann man sich als Erwachsener schon mal sehr einsam fühlen. Auch wenn man seine Kinder über alles liebt. Jussuf nahm das Angebot an. Die Töchter kannten Anne ja schon, im Großen und Ganzen vertrug man sich. Anne beteuert, dass sie keinerlei Hintergedanken hatte, als sie vorschlug, Jussuf am See zu besuchen. Und doch kam es, wie es kommen musste: „Wir sind aufgewacht, Lippen an Lippen. Und haben beide gedacht: Das lassen wir jetzt mal lieber!“, erzählt sie über den ersten mehr oder weniger zufälligen Kuss im Zelt. Und im Schlaf. Mehr haben sie dann wirklich lieber gelassen.
Als Jussuf seinen ersten Arbeitstag nach den Ferien hatte, war alles wie vorher. Es lag auch nichts Unausgesprochenes zwischen ihnen. Er stand einfach später am Abend vor Annes Tür und hat gefragt, ob er bleiben dürfe.
Dann stand Jussuf am Abend vor Annes Tür
Sie wollten es miteinander versuchen. Es war nicht der große Knall, die Liebe hatte sich eingeschlichen. Sie haben sich gut getan. Es war das Richtige. Und damit fingen die Probleme an.
Jussufs Ehe war gescheitert, weil seine Ex-Frau ihre Freiheit wollte. Die Kinder hat sie bei ihm zurückgelassen. Aber dass er jetzt eine neue Freundin hatte, das durfte nicht sein. In kürzester Zeit hat es viele unschöne Szenen gegeben. Tag und Nacht. Der Druck wurde so groß, dass Jussuf sich zum Wohl seiner Töchter wieder von Anne getrennt hat. Das hat die Kinder nicht glücklicher, Anne und Jussuf dafür sehr unglücklich gemacht. „Ich habe dann in Ruhe nachgedacht und mich für Anne entschieden. Weil sie einfach ein besonderer Mensch ist“, erinnert sich Jussuf. Für Anne hatte er sich entschieden UND für seine Kinder. Die weiter bei ihm leben sollten. Anne war bereit. Da mussten sie jetzt durch. Von da an waren sie „schwer verliebt“.
Zeit ihr Verliebtsein zu genießen gab es in den nächsten Jahren nicht. Es hat lange gedauert, bis die Szenen weniger wurden. Dazu die Sorge um die Kinder und die viele Arbeit. Jeder Tag ein Kampf. Wenigstens in ihrer gemeinsamen Wohnung. Der Traum, ein eigenes Restaurant, hat Anne und Jussuf geholfen das alles auszuhalten. Es gab viele Streitereien, viele Krisen. Aber als sie Angst hatten letztlich zu scheitern sind sie zur Paartherapie gegangen.
Jeder Tag ein Kampf
Zwei, die es überlebt haben. Müde aber glücklich, wie gerettete Schiffbrüchige. Ihr Traum hat sich erfüllt. 2010 haben Anne und Jussuf ihr Restaurant ‚Treptower Klause‘ eröffnet, eine ehemalige Kaschemme im Berliner Stadtteil Treptow, schräg gegenüber ihrer Wohnung. Ein schön schlichter Raum, nichts soll vom guten Essen ablenken. Sie arbeiten immer noch sehr viel. Jussuf kocht und Anne kümmert sich um die Gäste. Aber die Kinder sind groß und aus dem Haus. In der frei gewordenen Zeit gehen sie tanzen. Standard und Tango. Oder sie besprechen auf dem Sofa, worüber sie im Restaurant mit der offenen Küche vor den Angestellten und Gästen nicht streiten wollten. Streiten Sie überhaupt noch? „Ja klar!“, kommt es prompt von Anne „manchmal auch nur um sich mal wieder zu streiten. Das braucht man doch manchmal. Oder nicht?“ Jussuf macht nicht den Eindruck als ob er Streit bräuchte. Der Mann ist die Ruhe selbst.
Natürlich hat sie Ja gesagt
Im vergangenen Herbst, nach einem langen Arbeitstag hat er Anne mehr so im Vorbeigehen gefragt, ob sie ihn heiraten will. „Da ist mir fast das Glas aus der Hand gerutscht. War aber grade voll. Der gute Wein …“ Natürlich hat sie Ja gesagt. Jetzt muss nur noch ein Termin gefunden werden. Schwierig bei all der Arbeit. Ein Gastrokritiker bezeichnete die ‚Treptower Klause‘ als „Mein neues Lieblingsrestaurant“. „Das Lob sei alle Mühen wert“, sagt Anne zur Verabschiedung.