Was unsere anonyme Autorin ihrem liebsten Menschen noch sagen wollte – aber nie wagte –, das hat sie nun für uns und ihn aufgeschrieben. Ein Liebesbrief
Du hast mich mit deinen graugrünen Augen angesehen und für zwei Sekunden schien es, als stünde die Welt still. Der Zeitpunkt des Abschieds war gekommen. Eben noch sind wir durch den Regen gelaufen. Eben noch haben wir Kaffee getrunken, eben noch haben wir uns mit blauen Luftballons eine wilde Schlacht geliefert. Eben noch haben wir die Beziehungsunfähigkeit der Anderen analysiert und gleichzeitig unsere eigene außer Acht gelassen. Eben noch sind wir durch den Regen gelaufen und den Pfützen auf dem Weg genauso wie dem Gespräch über unsere Gefühle ausgewichen.
Wir kannten uns schon einige Monate, als ich meine Gefühle zu dir entdeckte. Wir tanzten zusammen – einen Discofox nach dem anderen, was anderes konntest du nicht und ich schon dreimal nicht. Du hast mir die Grundschritte und die ersten Figuren gezeigt und die Playlist manipuliert. „Damit du das jetzt auch gleich noch üben kannst“, hast du gesagt. Damals wünschte ich mir, dass der Abend nie zu Ende geht. Doch das wäre schade gewesen, dann hätte ich nämlich all die wunderbaren Momente mit dir verpasst, die noch folgen sollten.
Einer davon war unser erstes Treffen zu zweit, das Open-Air-Konzert mit Picknick-Atmosphäre. Inmitten von Tausenden von Menschen saßen wir auf deiner Picknick-Decke und lauschten klassischer Musik. An dem Tag war schon längst klar, dass du bald ins Ausland gehst, um deine Abschlussarbeit zu schreiben. Vielleicht hätte ich mich sonst nie getraut, dich zu fragen, ob du mich zu dem Konzert begleitest. Vielleicht hätte ich mich dann aber doch getraut, dir meine Gefühle zu gestehen, weil unsere Lage mir nicht ganz so aussichtslos erschienen wäre. Vielleicht und Hätte und Sonst und Wäre.
Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, ob ich dir sagen soll, wie es in mir aussieht. Doch manchmal hab ich gespürt – oder ich wollte es zumindest spüren –, dass es in dir genauso aussieht. Wir fühlten uns zueinander hingezogen und gleichzeitig lag ein scheinbar unüberwindbarer Graben zwischen uns. Ich versuchte aus diesem Dilemma auszubrechen, indem ich dich insgesamt dreimal um ein Date bat – nur hab ich es nie so genannt, dazu war ich zu schüchtern.