Doch je länger ich darüber nachdenke, umso metaphorischer sehe ich die ganze Sache mit der Kiste. So wie sich unsere Kiste aufgelöst hatte, so haben sich auch viele unserer Wünsche und Ziele aufgelöst beziehungsweise verändert. Eigentlich ist von meinen damaligen Zielen fast gar nichts mehr übrig. Vieles ist anders gekommen, als ich es mir gedacht hatte. Bei einigen Dingen bin ich froh darüber, bei einigen anderen Dingen finde ich es schwer begreiflich. Es ist wohl grundsätzlich so, dass sich Lebensträume oder Pläne verändern, dass man merkt, dass die eine Sache, für die man immer so gebrannt hat, einem nicht mehr so viel bedeutet.
Ähnlich verhält es sich mit Beziehungen und Freundschaften. Sie haben sich auch in den letzten Jahren verändert. Beziehungen haben sich aufgelöst, die ich immer für unzerstörbar hielt. Dies war eine der schmerzlichsten Erfahrungen, die das Erwachsenwerden mit sich gebracht hat. Die Erkenntnis, dass nicht alle Freundschaften aus Kindertagen dazu bestimmt sind, für die Ewigkeit zu halten. Obwohl man viel miteinander durchgemacht hat: Erfolge wie Niederlagen. In Momenten des größten Glücks standen wir Seite an Seite, aber auch in Zeiten des Schmerzes und der Trauer. Jedoch ist es wohl einfach so: Leben verändern sich. So passiert es dann einfach, dass man sich auseinander lebt. Dieses Auseinanderleben muss nicht immer laut und im Streit geschehen. Viel öfter noch geschieht es leise, bis man an komplett unterschiedlichen Lebenspunkten steht und es unmöglich erscheint, diese wieder miteinander zu verknüpfen. Dennoch gibt es auch Freundschaften, die gestärkt aus solchen Zeiten des Umbruchs hervorgehen. Ich habe erkannt, dass besonders die Menschen, die in schwierigen Zeiten zu einem stehen, wahrscheinlich genau die Menschen sind, die ein Leben lang an meiner Seite bleiben.
Letztendlich ist es doch so, egal wie sehr wir es uns auch wünschen, unsere Leben werden niemals so gradlinig und einfach verlaufen, wie wir es uns vorstellen. Wir können Pläne machen, unsere Wünsche und Ziele in Kisten packen. Sie vergraben und hoffen, dass wir, wenn wir sie wieder ausgraben immer noch die gleichen Menschen sind, mit immer noch den gleichen Bestrebungen. Doch das ist ein Trugschluss. Denn wir verändern uns. Lebensereignisse verändern uns. Es wird immer wieder Abschnitte im Leben geben, die von Schmerz und Traurigkeit geprägt sind, aber auch Momente von absolutem Glück und Leichtigkeit.
Je länger ich über diese ganze Sache mit der Kiste nachgedacht habe, desto mehr glaube ich, dass das ganze Leben aus Suchen und Finden besteht. Wir suchen nach ganz bestimmten Dingen, und wenn wir sie finden, stellen wir fest, dass wir sie so vielleicht doch gar nicht haben wollten. Und manchmal, wenn wir gar nicht danach suchen, finden wir die schönsten Dinge. Aus diesem Grund ist es auch in Ordnung, einige Kisten tief in der Erde vergraben zu lassen und uns überraschen lassen, um zu sehen, was das Leben für uns bereithält – ganz ohne Masterplan.
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