Das Unfassbare ist unserem anonymen Autor passiert: Er hat seine Julia verloren. Doch das Leben für ihn muss weitergehen. Auch wenn er seinen Weg noch nicht gefunden hat
Vor einem Jahr ist Julia gestorben. Absolut unerwartet. Sie, die Liebe meines Lebens, die Frau, die ich seit meiner Jugend kannte, mit der ich zusammen groß geworden bin. Erstes Date in der Eisdiele um die Ecke in unserer Heimatstadt (ob es die noch gibt?), erstes Konzert ohne Eltern, erster Kuss, erster Sex (was ist, wenn die Eltern früher nach Hause kommen? Bloß nicht gesehen oder gehört werden) – all das habe ich mit ihr erlebt.
Wir führten eine Langzeitbeziehung, die sich nie langweilig anfühlte. Weder haben wir uns wegen Kleinigkeiten gestritten – wie zum Beispiel wessen Aufgabe es heute wäre, Frühstück zu machen, oder ob man deine oder meine Eltern besucht. Fremde Leute hielten uns für ein frisch verliebtes Pärchen. So fühlten wir uns auch bis zum letzten Tag. Ich sage bis zu letztem Tag, aber damals wusste ich das nicht.
Das war ein Tag wie alle anderen: Arbeiten, zusammen zu Abend essen, uns dabei über die Ereignisse des Tages austauschen. Du warst wegen unseres Vermieters verärgert, er war mal wieder nicht nett am Telefon. Ich habe dich abgelenkt und am Ende haben wir noch zusammen darüber gelacht. Ich weiß noch, dass ich dich aus dem Augenwinkel betrachtet habe und mir überlegt habe, ob die schicken Ohrringe, die ich als Geschenk für deinen Geburtstag ausgesucht habe, dir tatsächlich gefallen würden.
Damals dachte ich, ich erfahre das in einer Woche. Ich sollte es nie erfahren. Die schicke Schmuckbox liegt bis jetzt in der untersten Schublade unseres – jetzt nur noch meines Schreibtisches. Ich kann es nicht übers Herz bringen, sie nochmal in die Hand zu nehmen. Es fühlt sich komischerweise so an, als ob ich kein Recht darauf hätte – schließlich war das Geschenk ja für dich gedacht.
Du warst müde und wolltest ins Bett. Aufgewacht bist du nie.