Unsere anonyme beziehungsweise-Leserin hat sich offenbar in einem Mann getäuscht, der jahrelang eine wichtige Konstante in ihrem Leben war. Lag es am großen Altersunterschied? Oder hatte sie nur nicht erkannt, wer er wirklich war?
Als ich dich kennenlernte, war ich gerade 20 Jahre alt. Du warst 45. Es mag wie die typische Lehrer-Schülerin-Beziehung klingen, aber das war es für mich nie. Du warst drei Jahre lang eine Konstante in meinem Leben. Du hast von Anfang an Interesse an mir gezeigt, hast dafür gesorgt, dass ich mich als etwas Besonderes fühle.
Naiv wie ich war, habe ich diese Aufmerksamkeit genossen. Es war eine schwere Zeit für mich. Aber du warst immer da – als Freund. Du warst der einzige, der mich ermutigt hat, meine Träume zu leben, der an mich geglaubt und mir gesagt hat, dass ich alles schaffen kann. Und ich habe viel geschafft, auf das ich sehr stolz bin.
Irgendwann wurde mehr daraus. Es musste ja so kommen. Als es dann losging, hast du mir erzählt, dass du eine Freundin hast, mit der du seit vielen Jahren zusammen bist. Irgendwie war es nicht die typische Beziehung, ihr habt euch selten gesehen. Ich weiß, es war falsch von mir, mich auf eine Affäre – denn so hast du es damals genannt – einzulassen.
Aber du warst mir so wichtig, einfach zum Reden, und ich wollte dich nicht verlieren, weil ich im Leben schon viele Menschen verloren hatte, die mir wichtig waren. Es war nie so eine klassische, rein körperliche Affäre. Wir haben abends stundenlang telefoniert. Wir haben über Musik geredet, über uns und über das Leben. Es waren nie oberflächliche Gespräche. Du warst der erste Mann, mit dem ich wirklich reden konnte. Vielleicht brauchte ich einen reiferen Mann, weil ich mich selber immer älter gefühlt habe.
Körperlich war da wenig Intimität zwischen uns, ja das stimmt, wir haben nur ein einziges Mal miteinander geschlafen. Irgendwann sagtest du, du hättest dich in mich verliebt. Da fingen die Probleme an. Einerseits sagtest du ständig, ich solle mir einen Mann in meinem Alter suchen und dass du nicht gut für mich wärst, andererseits warst du furchtbar eifersüchtig, wenn ich Interesse an jemandem gezeigt habe. Als schließlich jemand aus meinem engsten Umfeld krank wurde, wurde es zu viel für mich. Du beendetest das, was auch immer es war, und brachst den Kontakt ab. Ich verstehe, warum du es getan hast und ich denke, dass es so richtig war.
Nach einem Todesfall habe ich wieder eine schwere Zeit durchgemacht. Dieses Mal war ich nicht alleine. Ein Freund gestand mir seine Liebe, wir kamen zusammen und haben vor kurzem geheiratet. Ich habe mein Glück gefunden.