Verliebt in einen verheirateten Mann

Wenn Liebe unser höchstes Gut ist, wie können wir dann eine Verbindung verdammen, die aus Liebe entstanden ist? Vom Gefühl, einen verheirateten Mann zu lieben, berichtet unsere anonyme beziehungsweise-Leserin

„Ich muss dir noch was Wichtiges sagen: Ich werde Vater.“

Das waren sie. Die alles entscheidenden Worte, die mein Leben komplett aus dem Ruder haben laufen lassen. Genau eineinhalb Jahre nach unserem ersten Kuss und dreieinhalb Jahre, nachdem wir uns bei der Arbeit das erste Mal tief in die Augen gesehen haben.

Doch fangen wir vorne an.

Viele, die den Titel dieses Artikels gelesen haben, werden sich wahrscheinlich innerlich direkt davon distanziert haben. „Sowas könnte mir ja nie passieren!“ oder „Soll man mit so jemandem auch noch Mitleid haben?“ waren sicherlich Gedanken, die dem einen oder anderen von Ihnen durch den Kopf gegangen sind. Das wäre bei mir vor diesem besagten Tag vor dreieinhalb Jahren nicht anders gewesen.

Aber was macht man, wenn man aus heiterem Himmel die eine Person vor sich stehen hat, von der man genau weiß, dass man mit ihr den Rest seines Lebens und am liebsten noch ein zweites verbringen möchte? Was macht man, wenn es dieser anderen Person genau so geht? Jackpot könnte man meinen. Da hat das Schicksal ja mal die richtigen Fäden gezogen. Wäre da nicht die Tatsache, dass der eine gerade medienwirksam eine erfolgreiche Sportlerin geheiratet hat und die andere erst vor kurzem mit ihrem Langzeitfreund in eine gemeinsame Wohnung gezogen ist.

Der erste Kuss heimlich im Hinterhof

Ganze zwei Jahre haben wir es geschafft, uns gegen das zu wehren, was zwischen uns zu entstehen drohte. Typische Ausflüchte wie das obligatorische „wir verstehen uns einfach nur gut“ waren da natürlich an der Tagesordnung. Doch lange Gespräche bei Kollegiums-Feiern (auch gerne nach einigen Getränken), flüchtige Berührungen, bei denen alles gekribbelt hat und Nachrichten, die man spät in der Nacht abschickt und am frühen Morgen am liebsten rückgängig machen würde, führten schlussendlich aber zum Unvermeidlichen: dem ersten Kuss. Heimlich und angetrunken auf einem Hinterhof, während die Kollegen es sich weiter gut gehen ließen.

Wie zwei Ertrinkende hielten wir uns aneinander fest und keiner von beiden wollte, dass dieser Moment je endet. Ich kann mich noch genau an dieses dumpfe Gefühl erinnern, als ich am nächsten Tag aufgewacht bin. Haben wir das wirklich gemacht? Wie soll es denn jetzt bloß weitergehen? Ob ich es meinem Freund erzählen muss? Tausend Fragen schwirrten mir durch den Kopf und auf keine hatte ich eine Antwort.

Wahrscheinlich werden Sie jetzt sagen, dass das der passende Moment gewesen wäre, die Reißleine zu ziehen. Noch war es ja nur ein Kuss. Auch ich war fest entschlossen, es nicht noch einmal so weit kommen zu lassen – bis ich ihn das nächste Mal sah. Ein Blick genügte und es fühlte sich wieder genau so an wie in jener Nacht. Ein Blick in seine Augen sagte mir, dass es ihm nicht anders ging.

Und so ergab ein Treffen das andere und aus Küssen wurde mehr. Aus verknallt sein wurde Liebe. In unseren kleinen Ausflüchten träumten wir uns davon, in ein anderes Leben. In diesen Momenten war es, als ob die Zeit viel zu schnell vorüber ging, obwohl sie doch so wertvoll war. In diesen Momenten war die Nähe des anderen alles, was wir brauchten, um glücklich zu sein.


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