Verliebt in einen Unbekannten

Einen Tag vor dem großen Treffen schickten wir uns Briefe mit Fotos von uns. Aber nur Ausschnitte, um es spannender zu machen. So sehr ich mich auch bemühte, aus seinem linken Auge und seinem Mund eine imaginäre Person zu formen – es gelang mir einfach nicht. Ich gab auf und beschloss, bis zum nächsten Tag zu warten.

Doch wo sollte unser Treffen stattfinden? Klingeln und „Hallo, hier bin ich!“ rufen, würde nicht in unsere Geschichte passen. Nur eines war klar: Es musste in Hamburg sein. So verabredeten wir uns auf der Trostbrücke, einer der romantischsten Brücken Hamburgs, die an Venedig erinnert. Ob wir uns hier wohl zwischen den vielen Touristen anhand unserer Bildausschnitte erkennen würden?

Der große Augenblick rückte näher und ich begann ziemlich nervös zu werden. Eine halbe Stunde zu früh stand ich auf der Brücke parat. Doch Paul kam nicht. Er steckte im Stau und ich musste mal wieder überpünktlich sein. Eine Stunde später erhielt ich die Nachricht, dass er bald da wäre. Ich hielt gespannt die Augen offen. Da kam ein Mann, auf den die Beschreibung passen könnte. Eine karierte Pudelmütze, kurze braune Haare und die Größe stimmte auch. Nur ich war schockiert und dachte „Oh Gott, bitte lass es ihn nicht sein!“

Vor dem ersten Treffen hatte ich nicht einmal ein Foto von ihm gesehen

Glücklicherweise schaute er auch nicht suchend durch die Gegend und ging an mir vorbei. Kurze Zeit später klingelte mein Handy und Paul meldete sich mit dem Satz: „Bin über die ganze Brücke gelaufen, habe dich aber nicht gefunden.“ Mir war sofort klar: „Ich dich schon!“ Also sagte ich zögernd: „Ich glaube, ich habe dich schon gesehen.“ Er war es tatsächlich gewesen und kam mir auch schon mit seinem Handy am Ohr und einem breiten Lächeln auf den Lippen entgegen.


Weitere interessante Beiträge