Diese Frage hasst unsere anonyme beziehungsweise-Leserin beim Online-Dating am meisten: „Und, was suchst du (hier)“? Wie viel Verbindlichkeit braucht es für ein Kennenlernen, aus dem sich eine Beziehung entwickeln kann?
Wenn nach dem erfolgreichen Match, Like oder was auch immer die ersten, meist etwas holprigen Nachrichten („Hallo, wie geht’s?“, „Was machste …?“) ausgetauscht werden, folgt irgendwann immer dieser von mir gefürchtete Satz: „Und, was suchst du?“
Warum ich diesen Satz fürchte? Weil er für mich immer bedeutete, dass man zu einem sehr frühen Zeitpunkt, (das Gegenüber ist immerhin eine wildfremde Person, mit der man ein paar Fotos und harmlose Begrüßungsfloskeln ausgetauscht hat) einem anderen Menschen seine Hoffnungen, Träume und Sehnsüchte offenbart.
Das ist nichts für mich. Zu gebeutelt war und bin ich noch von einer langen Ehe, in der emotionaler Missbrauch an der Tagesordnung stand. Trotzdem, nach drei Jahren befand ich, es sei an der Zeit, mich auf dem Dating-Markt mal umzusehen. Ohne große Erwartungen, versteht sich.
Deshalb stach, nach Monaten voller merkwürdiger Angebote, gefakten Profilen und einsilbiger Kommunikation dieser eine Mann vollkommen aus dem Datingapp-Nachrichten-Einheitsbrei heraus. Statt der üblichen Einstiegsfloskeln erzählte er fröhlich von seinem bevorstehenden Urlaub, von Dingen, die er erlebt hatte und nach einiger Zeit auch von seinem Alltag.
Dennoch ließ ich mir lange Zeit damit, ihm meine Handynummer zu geben, manchmal dauerte es Wochen, bis ich mich bei der App einloggte, um ein wenig in den Nachrichten zu stöbern. (Dass ich wenige bis gar keine Dates hatte, sei hier noch erwähnt.)
Immer war dann eine Nachricht von ihm da, immer fröhlich, immer ein kleiner kompakter Text, der mich langsam, aber Stück für Stück, dazu brachte, mich zu öffnen, neugierig auf den Menschen zu werden und tatsächlich meine Handy-Nummer herauszurücken.
Tatsächlich kamen keine merkwürdigen Nacktfotos oder Dick-Pics (wie ich das von Erlebnissen meiner Freundinnen her kannte), sondern auch hier Nachrichten, in denen tatsächlich etwas gesagt wurde und auf die ich etwas zu sagen hatte.
Dann folgte unser erstes Date. Auch hier überzeugte mein Gegenüber mit Eloquenz, Charme, Humor, Tiefgang und einer gewissen Reife. Stundenlang sprachen wir über alles mögliche, auch unsere gescheiterten Beziehungen und die Ex-Partner waren früh Thema. Beide waren wir verletzt worden, bei beiden hatte dies nachhaltige Spuren hinterlassen. Bei mir waren es viele Jahre im Bann eines Narzissten, bei ihm viele Jahre mit einer psychisch labilen Partnerin. Beide also arg gebeutelt …