Ein Liebesbrief, so richtig klassisch auf Papier, in einem Umschlag, per Post. Davon war unsere anonyme beziehungsweise-Leserin bereits hingerissen. Und als sie den ersten Satz las, war sie verliebt
„… und wäre jetzt gern bei dir.“ Dieser Satz ist der Auftakt der Erzählung „Licht“ von Christoph Meckel. Es ist für mich der schönste erste Satz, weil mit diesen Zeilen der Liebesbrief eines Mannes an mich begonnen hat.
Wir hatten uns ein paar Tage vorher zum ersten Mal gesehen. Dieser Mann, der mir auf den ersten Blick sympathisch war, suchte immer wieder während einer Veranstaltung meine Nähe, so vorsichtig und zart. Immer wieder trafen sich unsere Blicke.
Doch ich war nach einer Enttäuschung ziemlich zurückhaltend und versuchte, ihm keine Beachtung zu schenken. Ich wollte mich nicht schon wieder ins Unglück stürzen und erst einmal Zeit für mich haben. Deshalb wich ich seinen Blicken immer wieder aus und tat so, als interessiere mich das alles nicht. Als würde ich diese Magie nicht bemerken. Aber irgendwie hatte mich dieser Mann vom ersten Augenblick an fasziniert und meine Seele berührt.
Ein paar Tage nach seiner Abreise erhielt ich plötzlich einen Brief von ihm. Wie lange hatte ich keinen Brief mehr bekommen? Und dann auch noch von einem Mann, der mich irgendwie berührt hatte und bei mir so ein Kribbeln im Bauch verursachte. Sein Brief begann mit den Zeilen des für ihn schönsten Beginns eines Romans, und zwar mit „… und wäre jetzt gern bei dir“. Er schrieb den ganzen ersten Absatz aus diesem Buch.
All seine Sehnsucht lag in diesen Zeilen, sie rührten mich zu Tränen. In diesem Augenblick verliebte ich mich in ihn. Ich hätte niemals gedacht, dass man sich beim Lesen von ein paar Zeilen in jemanden verlieben kann, doch das passiert! Mein Herz hatte angefangen zu brennen. Ich schrieb ihm zurück und wir verabredeten uns und sahen uns wieder.