Je mehr ich leide, desto mehr liebe ich

Ihr größter Fehler war, ihn mehr zu lieben als sich selbst. Irgendwann musste sie sich jedoch vor ihm retten. Unsere anonyme Autorin ist durch die Hölle gegangen, bis sie endlich Frieden und Liebe fand

Er kam in meine Welt wie ein Retter, der mir einen Job anbot und so fuhren wir gleich nach dem Kennenlernen für eine Woche zusammen arbeiten. Wir haben uns super verstanden, viel gelacht und erzählt. Hatten beide keine leichte Zeit hinter uns und konnten uns gut in die Probleme und Geschichten des anderen hineinversetzen. Er stand im Leben, hat seine Familie als selbständiger Unternehmer versorgt, war viel unterwegs und hat dennoch seine zwei Kinder immer eine Woche im Wechsel bei sich gehabt. Ich mochte die zwei sehr, auch wenn es mir oft zu viel wurde, da immer ihre Mutter im Vordergrund stand, die ihn kurz nach der Hochzeit für einen anderen verlassen hat. Zu dem Zeitpunkt erfüllte sich meine Sehnsucht, für jemanden da zu sein, der sehr gelitten hat, den ich lieben kann. Er erschien mir so ‚bedürftig‘, dass ich gar nicht anders konnte, als mich in ihn zu verlieben und wieder um Anerkennung und Liebe zu kämpfen, wie in meiner Kindheit. Ich brauchte den Kampf und Schmerz, den mir so emotional unzugängliche, desinteressierte, unerreichbare Männer wie er gaben. ‚Je mehr ich leide, desto mehr liebe ich‘, dachte ich. Und ich habe sehr gelitten damals.

Aus dem Job mit ihm wurde nichts, also musste ich in meinem alten Beruf weiterarbeiten. Allerdings war ich ständig unterwegs, was mir durch die Distanz zu bzw. von ihm damals sehr schwer fiel – obwohl ich viel Spaß in dem Job hatte und viel von Europa sehen konnte. Er war ständig abweisend, hat Verabredungen abgesagt, ohne darüber enttäuscht zu sein, hat nur sporadisch geschrieben oder angerufen und als ein Freund meinte, dass ich für ihn vielleicht nur eine „Alternative“ sei, suchte und fand ich ihn in einer Dating-App. Für mich war die Geschichte damit beendet, denn ich möchte für einen Mann keine Option sein. Leider waren die Gefühle für ihn so stark, dass ich ihm glaubte: „Warum sollte ich dir meine Kinder vorstellen, dir meinen Schlüssel geben und meinen Eltern von dir erzählen, wenn du mir nicht wichtig wärst“, sagte er und nachdem er mir seine Liebe gestand, konnte ich nicht anders, als ihm zu glauben und uns noch eine Chance zu geben. Zu dem Zeitpunkt fragte ich nicht, warum er mich wollte, wo ich doch all die negativen Eigenschaften besaß, die er mir an den Kopf warf.

Es war keine wirklich schöne Zeit und erst im Nachhinein verstehe ich, warum ich mir diesen ständigen Schmerz angetan habe. Er hat mich immer auf Distanz gehalten, es gab kaum Nähe, Verständnis und Interesse, was mich völlig zerfressen hat, aber ich konnte nicht anders, als bei ihm zu bleiben. Die kleinen zärtlichen, offenen und verletzlichen Momente gaben mir Hoffnung, dass wir wie eine kleine Familie zusammenwachsen könnten, wenn ich nur erst einmal wieder richtig im Leben stünde mit Selbstvertrauen, Arbeit und Führerschein.

Als er sich nach einer Nacht, die er eigentlich bei mir verbringen wollte, nicht zurückmeldete, unterbreitete mir ein Bekannter das Angebot, zu ihm nach Asien zu fliegen und sein Geschäft dort vor Ort für eine Weile zu übernehmen. Verletzt wie ich war, sagte ich zu und buchte einen vierwöchigen Aufenthalt, um mir erst einmal einen Eindruck von der Arbeit dort machen zu können.


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