Seit er arbeitslos ist, wankt meine Liebe

Sein Verständnis dafür, dass ich Überstunden schiebe, schrumpft. Ich korrigiere: Es ist nicht mehr vorhanden, für keine Sekunde. Im Gegenteil, er motzt mich an, ob ich denn gar keine Zeit mehr mit ihm verbringen wolle, ob mir sein Job wichtiger sei als er. Ich fühle mich schuldig und unverstanden, wenn ich aus meinem Arbeitsalltag berichte und über Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder den nächsten Schritt auf der Karriereleiter nachdenke. Austausch über dieses Thema findet nicht statt. Ich habe gelernt, zu schweigen. Und so schweige ich über acht bis zehn Stunden, die nun mal mein Leben ausmachen.

Ist seine Arbeitslosigkeit ein Brennglas für alle Probleme, die wir schon immer unterschwellig hatten?

Ich entdecke, dass er keinerlei eigenen Antrieb hat. Dass er ziemlich faul ist und uninteressiert an der Welt. Er könnte seine Freunde in seinem Heimatdorf besuchen, Bücher lesen, Nachrichten schauen, sich engagieren für ein soziales Projekt, von mir aus Flüchtlingskindern etwas vorlesen oder bei der Tafel einspringen. Aber solche Vorschläge lehnt er kategorisch ab. Umsonst malochen? Kommt für ihn nicht in die Tüte, er habe schließlich studiert und wisse, was er wert ist. Ich empfinde das einfach nur als egoistisch und ziemlich arrogant.

Aus einem Mann, der mit mir auf Augenhöhe war und zu dem ich gelegentlich auch aufgeblickt habe, ist ein schlapper, nasser Sack geworden. Seine Anziehungskraft auf mich ist im Keller, ich habe keinen Bock mehr auf Zärtlichkeiten, geschweige denn Sex.

Wie lange ich das noch mitmache?

Ich weiß es nicht. Ich fühle mich verantwortlich. Ohne mich hat er gar nichts mehr. Keinen Job und keine Partnerin. Das würde ihn brechen. Aber irgendwann werde ich an dem Punkt sein, an dem ich so nicht mehr weitermachen kann und will. Für mich selbst habe ich beschlossen, ihm noch bis zu meinem Geburtstag im Mai eine Chance zu geben. Und dann werden vielleicht, auch wenn mich der Gedanke traurig stimmt, die Lebensweichen neu gestellt werden müssen.

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