Nach über 30 Jahren Ehe …

Konflikte mit einem unserer Söhne dienten als unser beider Ventil für die Unzufriedenheit in unserer Ehe. Eine schlimme Zeit, in der ich mich nicht nur unglücklich, allein gelassen und verzweifelt, sondern auch mitschuldig fühlte. Einsamkeit, Selbstzweifel und eine stärker werdende innere Abkehr zu meiner Frau, setzten sich bei mir fest. Sie prägten mich und machten mich derart unglücklich, dass ich mein Heil in zusätzlicher Überaktivität und steten beruflichen Veränderungen suchte, quasi auf der Flucht vor mir selbst. Jetzt war ich sehr darauf bedacht, ein besserer, guter Vater, zu sein. In der Folge entwickelte sich meine Frau in dieser Phase zu einer Art Gegnerin von uns. Ich behaupte einfach, sie entfachte Streit, indem sie unseren ältesten Sohn ständig provozierte. In diesen Situationen wurde ich von ihr auf das Übelste beschimpft.

Wir haben uns später ein Häuschen gebaut. Doch das einzige, das sich danach geändert hatte, war unser Lebensmittelpunkt. Wie war ich damals nur auf den Gedanken gekommen, dass sich unsere angespannte Situation in einem anderen Umfeld verbessern könnte? Wir waren ja unverändert. Heute erahne ich: Sich schlecht und ungeliebt zu fühlen, kann zur Sucht führen, die sich gleichsam uneinsehbar und tückisch als seelischer Bestandteil im Herzen festsetzt.

Meine Frau wurde wieder berufstätig und entwickelte sich zu einer lebenslustigen und selbstbewussten Person, die unsere Kinder großgezogen hatte und ihren persönlichen Fokus mehr und mehr auf sich richtete. Dazu gehörten abendliche Unternehmungen mit Kolleginnen, Freundinnen und einigen Nachbarinnen. Diese Abende dauerten immer länger. Das Verhalten meiner Frau – auch mir gegenüber – hatte sich erneut total verändert.

Sie hielt sich möglichst wenig zuhause auf, steckte voller Aktivitäten, die mir bei ihr bis dahin fremd waren. Sie blieb weg wann und wie sie wollte. Begab sich in den Zeiten ins Haus, zu denen ich bei der Arbeit war. Es gab Situationen, die mich unsicher, misstrauisch und insgeheim einsam machten. Ich ahnte etwas. Es keimte etwas in mir auf, das mich misstrauisch und eifersüchtig machte. Wie sich bald herausstellte, auch berechtigt. Doch in letzter Konsequenz konnten wir uns nicht endgültig trennen.

Diese (schrecklichen) Jahre vergingen rückblickend wie im Fluge. Inzwischen war ich etwa Ende 40 und in meiner Situation festgefahren. Ein gutes Ende oder gar eine einvernehmliche Lösung war nicht auszumachen. Meine Arbeit hingegen war quasi mein zweites Zuhause geworden. Hier kannte ich mich aus und wurde gemocht und akzeptiert. Hier schöpfte ich die Kraft für meine – eigentlich – zermürbende familiäre Situation.

Eine Fortbildung brachte eine Entfernung von 750 km zwischen Wohnort und Studienstätte und eine Wochenendbeziehung über mehr als drei Jahre. Meine Frau hatte ich über die mir gebotene berufliche Chance informiert. Zu einem vernünftigen Austausch über das Für und Wider dieser Aktion reichte die zum kläglichen Scherbenhaufen gewordene Ehe nicht mehr aus.


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