Lieben und lieben lassen

Noch heute fragt sie sich, wie das alles passieren konnte und wohin die Liebe verschwunden war, als sie diese am dringendsten benötigt hatte. Unsere anonyme Autorin war zur falschen Zeit am falschen Ort

Unsere erste Begegnung war anders, als man sie von einer großen Liebesgeschichte erwarten würde. Irgendwo zwischen verrauchten Kneipen, Schnaps aus zu kleinen Gläsern, gedämmtem Licht und zu lauter Geräuschkulisse haben wir uns kennengelernt. Nur noch dein Geruch, der an mir klebte, erinnerte mich an dich, nachdem ich am darauffolgenden Tag meinen Heimweg von deiner Wohnung antrat. Doch auf ein Treffen folgte das nächste. Auf Vodka folgte irgendwann Wein, dann Club-Mate und schließlich der Kaffee am nächsten Morgen.

Ich war vorsichtig und unterkühlt, denn du warst ein Sinnbild für alles, was für mich Gefahr bedeutete. Doch es war nicht nur deine unfassbar charmante, charismatische und manipulative Art, sondern auch etwas, dass ich in dir gesehen hatte, was ich bisher für verloren geglaubt hatte. Ich ermahnte mich selbst immer wieder, mich bloß nicht zu sehr auf dich einzulassen – aus Angst, verletzt zu werden, mich verletzlich zu machen, Schwäche zu zeigen.

Und wie das im Leben nun mal so ist, tat ich genau das, wovor ich so panische Angst hatte: Ich verliebte mich in dich, Hals über Kopf. Es dauerte lange, bis wir dann schließlich zusammenkamen. Nicht, weil du meine Gefühle nicht erwidert hättest, sondern weil auch du die Gefahr in mir gesehen hattest. So vergingen acht Monate und dann, als mich das Leben wieder einmal daran erinnert hatte, dass nie alles nach Plan läuft, ich in ein schwarzes Loch fiel und alles, was wir bisher hatten, als verloren geglaubt hatte, da standest du vor mir, nahmst meine Hand und ab diesem Tag waren wir auch für die restliche Welt das, was wir bereits zuvor schon gewesen waren.

Wir hatten es geschafft, unsere eigene kleine Welt aufzubauen, bestehend aus Geborgenheit, dem Gefühl, angekommen zu sein und sich fallen lassen zu können. Du hast mich zu einem besseren und unfassbar glücklichen Menschen gemacht. Ich war dein Heimathafen, der Geruch nach zuhause. Zwei Egomanen, die fälschlicherweise Stärke im Verstecken von Gefühlen gesehen haben, zwei völlig konträre Menschen, die sich doch so ähnlich waren. Gemeinsam waren wir unschlagbar, unantastbar und unfassbar verliebt.

Doch auch auf die schönsten Zeiten folgen irgendwann weniger schöne, wir wurden vom Ernst des Lebens eingeholt und verblassten nach und nach. So folgte auf unsere beste Zeit, eine gute Zeit, darauf eine schlechte Zeit und darauf eine noch schlechtere Zeit – bis wir schließlich völlig vorhersehbar und doch wie betäubt vor unserem Ende standen.

Mittlerweile verstehe ich, was ich damals nicht verstanden hatte. Die vier Jahre zwischen uns konnte ich irgendwann nicht mehr leugnen. Im Gegensatz zu dir wusste ich nicht, was ich vom Leben erwarte, welche Träume, Wünsche und Ziele ich habe. Ich konnte dich nicht mehr lieben, wie du es verdient hattest, denn ich konnte mich selbst nicht lieben. Aus Selbstzweifeln wurden Zweifel an der Beziehung und an dir, wurde Misstrauen, Dünnhäutigkeit, Intoleranz und das immer wiederkehrende Gefühl, nicht geliebt zu werden.


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