Irgendwann bin ich stark genug

Hannes war entsetzt, dass ich noch keine Kinder wollte und vorhatte, noch weiter in die Schule zu gehen. Er wiederholte immer wieder, er würde mich und die Kinder ohne Probleme versorgen können. Aber ich wollte für mich selbst sorgen und nicht auf dieser Ausbildung sitzen bleiben. Ich will nicht immer in diesem kleinen Büro sitzen bleiben, ich will mein Leben leben und mich weiter bilden, ich will studieren und dann erst Kinder. Das alles war Hannes egal, er versuchte weiterhin, mir einzureden, eine Frau brauche kein Studium. Für ihn reicht es, wenn die Frau für die Kinder da ist und den Haushalt aufrecht erhält.

Ich war schockiert von seiner Vorstellung einer Familie. Was soll aus mir werden? Ich will nicht ein Leben lang hinter dem Herd verbringen, ich will nicht nutzlos zuhause sitzen und meine Fähigkeiten versauern lassen, ich will gebraucht werden, ich will einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen. Ich fühlte mich in diesem Moment unverstanden und gedemütigt.

Ich habe wirklich gedacht, es würde etwas mit mir nicht stimmen

Nach diesem Streit war das Thema Weiterbildung für uns zunächst vorbei. Ich habe davon nicht mehr gesprochen aus Furcht vor einem weiteren Streit und ihn hat es nicht weiter interessiert. Die Beziehung verlief so weiter. Wir redeten normal miteinander, aber ich fühlte mich nicht mehr wohl. Das habe ich ihm auch gesagt und er meinte nur, dass ich mir das einbilde. Zu dieser Zeit dachte ich viel nach und habe wirklich geglaubt, es würde eben etwas mit mir nicht stimmen.

Ich zog mich immer mehr zurück und redete mit niemandem mehr über meine Gedanken. Ich wollte nicht, dass jemand von unseren Problemen erfährt. Ich wollte nicht, dass jemand Hannes verurteilt. Ich dachte, dass er schon recht hatte und es normal in einer Beziehung sei, das zu tun, was der Mann sagt. Denn als seine Frau kann ihm nicht in den Rücken fallen, ich muss zu ihm stehen, egal was passiert.

Es ging wochenlang so. Meine Leistungen in der Schule wurden immer schlechter. Meine Lehrerin sprach mich darauf an, wir redeten stundenlang miteinander und sie gab mir etwas von meinem Mut zurück. Sie wusste, dass ich jemand bin, der für die Rechte anderer kämpft und niemals zulassen würde, wenn jemandem Unrecht getan wird. Was war nur aus mir geworden?

Dann war es so weit. Die Akkreditierung für die nächste Schule stand bevor, ich meldete mich mit einem Onlineformular an und druckte dies auch sofort aus, damit er es nicht sehen konnte. Dann ging ich duschen. Als ich aus dem Bad kam, stand Hannes vor mir, er hatte doch den Zettel für die Schule gefunden. Wir stritten die ganze Nacht lang. Ich schlief total entkräftet auf der Couch ein, Hannes schlief im Bett.


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