In wen habe ich mich da bloß verliebt?

Ich fuhr an einem Sonntag zu ihm und der erste Eindruck war noch genauso, wie von mir erhofft. Er umarmte mich herzlich und freute sich sichtlich darüber, dass wir uns nun endlich auch in echt Kennenlernen würden. Doch mit jeder Minute, die verging, stürzte das Kartenhaus, das ich mir über einige Wochen selber aufgebaut hatte, immer weiter in sich zusammen, Ebene für Ebene. Lars sah zwar genauso aus wie auf seinen Profilfotos, er hatte tatsächlich einen Kuchen gebacken und er freute sich wohl wirklich über unser Treffen. Aber alles andere stimmte nicht.

Ich saß einem Mann gegenüber, der mit zittriger Stimme nach Worten suchte und verlegen immer wieder aus dem Fenster seines (schrecklich eingerichteten) Wohnzimmers schaute. Einem Mann, der auf meine Fragen einsilbig antwortete, fast so, als hätte er mir gar nicht richtig zugehört. Lars war eine Mogelpackung, ein Mann, der sich wesentlich interessanter dargestellt hatte, als er wirklich war. Eine Sache stimmte wohl an ihm: Er konnte schreiben und musste eine rege Fantasie haben. Aber im echten Kontakt war nichts davon zu spüren. Lars tat mir leid, denn er litt offensichtlich, er spürte, dass ich immer distanzierter wurde. Es lag etwas im Raum, das niemand von uns aussprechen wollte. Das hier, unser Treffen, das war leider ein einziger Reinfall. Völlig verliebt war ich gegen eine Wand gerast und musste feststellen, dass ich mir etwas vorgemacht hatte. Ich habe noch nie einen so großen Widerspruch erlebt und ich war noch nie so enttäuscht. Dabei tut mir der arme Kerl wirklich leid. Immer noch habe ich seinen traurigen Blick vor Augen, als ich nach einem Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee sagte, dass ich gehen wolle und aus uns leider nichts würde.

Ich hätte das früher nicht für möglich gehalten, dass man sich in ein Gespenst oder eine Vorstellung verlieben kann. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Ich hätte vorsichtiger sein sollen und entweder das Tempo drosseln oder ihn früher treffen sollen. Stattdessen wurde ich enttäuscht und ein fremder Mann verletzt, den ich schon stark zu kennen glaubte.

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