Zwei verwundete Seelen, eine besondere Begegnung und Narben, innerlich wie äußerlich. Unser Leser teilt mit Ihnen einen unvergesslichen Moment der Nähe
Alles fing damit an, dass wir am Freitag chatteten. Wir schickten uns Sprachaufnahmen und philosophierten über das Leben, über Liebe und über uns. Ich wusste, sie war anders, weshalb ich mich bemühte, liebevoll und aufmerksam zu sein.
Mein Interesse weckte sie, als sie mir Erfolg bei der Arbeit wünschte und ohne Zusammenhang sagte, sie würde oft an mich denken. Auf den ersten Blick scheint das bedeutungslos zu sein, ist es wahrscheinlich auch, doch stell dir vor, du bist gestresst bei der Arbeit und überschwemmt mit Emotionen.
Ich fragte mich nur, wie? Ich war fest davon überzeugt, sie könne sowas wie Zuneigung und Liebe nicht empfinden, warum dann an mich denken?
Mir war es egal, was die anderen über uns dachten
Am nächsten Tag schrieben wir wieder und entschieden uns, uns spontan zu sehen. Ich kaufte mir einen Cappuccino und recht zügig kam sie dann auch. Wir teilten das Getränk und gingen zu einem Piercer. Danach irrten wir durch die Stadt, zogen von Laden zu Laden. Ab und zu blieb sie abrupt stehen und schrie auf wegen des Piercings, ich dachte mir, dass sowas anderen peinlich wäre, doch ich fühlte mich gut mit ihr. Mir war’s egal, was andere über uns denken, über sie denken.
Irgendwann, nachdem wir zwei Stunden vagabundiert waren, saßen wir bei einem Burger. Nach dem Essen redeten wir, schauten uns an, dachten nach, lachten. Ich bewunderte ihre Augen … Blau wie das Meer, glänzend wie ein Stern voller Licht, Hoffnung, und das, obwohl sie gebrochen und verletzt wurde.
Sie wusste, dass ich sie anschaute, doch weigerte sich, mich anzuschauen. Irgendwann fragte ich, ob ich ihre Narben sehen durfte, die am Handgelenk und Unterarm. Diese kleine Berührung, dieses Streicheln, wie mein Finger ihren Unterarm entlang wanderte: Das war intimer als alle Küsse, die ich davor gehabt hatte.