Ich war diejenige, die dich falsch sah

Ich war der festen Überzeugung, dass du genau wie ich sein würdest: aufmerksam, sensibel, ehrlich. Dass du Geborgenheit mehr schätzten würdest als 90-60-90 Maße und dass du auf Ausstrahlung und Humor mehr Wert legst als auf irgendwelche Idealbilder, die so normal geworden sind, dass sie schon vor Langweiligkeit zum Himmel stinken.

Wir verbrachten Zeit damit, aneinander gekuschelt Filme zu schauen und nebeneinander und miteinander zu schlafen. Und genau so sollte es weiter gehen. Aber ich wollte dich kennenlernen und nicht das Gefühl haben, ein kleiner, süßer Zeitvertreib zu sein. Aber genau so ging es weiter. Enttäuscht und wütend über so viel Gleichgültigkeit und Desinteresse an mir, keinerlei Fragen oder Gespräche, fuhr ich früher als geplant wieder nach Hause. Verständnislos für meine Reaktion, hatte ich dann von dir auch noch den deiner Meinung nach passenden Stempel aufgedrückt bekommen: aufbrausend und zickig …

Das Kennenlernen fehlte. Wie auch, da wir uns nie ernsthaft über Sachen, die uns berühren, wichtig sind oder uns ausmachen, unterhalten haben. Worte wurden verschickt, die von beiden Seiten nicht so gemeint waren. Und dann fragte ich mich, ob es vielleicht einfach der Situation geschuldet war, weswegen es von vorn bis hinten schief ging. Ich war mir nicht sicher: war es Vorsicht, Unsicherheit oder bist du wirklich so, wie ich dich nach meinem “aufbrausenden” Abgang einschätzte.

Ich war verletzt und enttäuscht, denn für mich sind Gespräche und das Kennenlernen Zeichen von Interesse an dem Anderen. Aber das war von deiner Seite nie da. Trotz allem fuhr ich wieder zu dir. Ich bin kein Mensch, der schnell die Flinte ins Korn wirft und schreit: “Ich habe es ja gewusst”. Ich kochte für uns und machte mir Sorgen, als du krank warst. Du hattest zwischendurch deinen Berufsstress erwähnt. Für alles hatte ich irgendwie immer ein gewisses Verständnis, aber mit der Zeit zielte dein Interesse einzig darauf ab, mich schnell ins Bett zu kriegen und immer mehr fühlte ich mich auf das Eine reduziert, denn nur dafür konntest du dich begeistern.

Alles kam dann, wie es kommen musste und ich bereute, geglaubt zu haben, dass du anders bist. Du warst nur Feuer und Flamme, wenn es darum ging, mich zu vögeln. Ja, “klare Worte” mögen jetzt einige denken. Warum schreibt sie nicht: “Miteinander geschlafen”? Miteinander? Geschlafen? Ich wünschte, das hätten wir ein einziges Mal getan.


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