Wenn man denkt, man kann nicht tiefer fallen, dann passiert es manchmal, ganz unerwartet, dass man noch ein Stück weiter rutscht. Einen solchen Fall hat unsere anonyme Autorin erlebt. Nach sechs Jahren schreibt sie das erste Mal darüber
Eine Stunde saß ich vor meinem Rechner, tippte sinnlos auf irgendwelchen Buchstaben herum, die sich zu ganz merkwürdigen Worten formten. Manchmal entwich mir ein Schmunzeln, weil sich der Kauderwelsch so komisch anhörte, dass es fast schon wieder lustig war. Doch eigentlich war ich nur auf der Suche nach einem Thema, über das ich schreiben kann, weil es einfach mal wieder Zeit an der Zeit war, die unruhigen Finger und wirren Gedanken zu bändigen.
Tatsächlich fiel mir erst nach einer Stunde ein Thema ein, was mir eigentlich seit Jahren auf der Hand oder besser gesagt auf der Seele liegt, doch für das ich bisher nie Zeit gefunden habe. Oder soll ich an dieser Stelle lieber sagen „Mut“? Es ist meine Geschichte, wahrscheinlich bisher die größte Geschichte in meinem Leben, die mich weinen, schreien, fallen ließ und mich am Ende wieder aufhob – von ganzen unten, da wo es nicht mal mehr weh tut, sondern wo alles einfach nur noch egal ist. Mir war alles egal. So egal.
Als das Herz plötzlich anfing zu pochen
Es spielte das Jahr 2012, in dem ich meinen 16. Geburtstag feierte. Wir kannten keine Dating-Apps und Instagram wurde noch zum Teilen der peinlichen Partybildern der letzten Nacht genutzt anstatt zum Chatten mit fremden Personen. Aber wir benutzen Facebook rund um die Uhr – nicht nur zum Posten von Bildern, zum Liken, Markieren und Kommentieren, sondern auch zum Freunde finden oder besser gesagt, um den neuen Schwarm ausfindig zu machen. Meine beste Freundin und ich verbrachten Stunden damit, uns durch sämtliche Facebook-Profile zu scrollen. Irgendwo dazwischen fand ich dann auch ihn. Natürlich war es sein Bild, was mir zuallererst ins Auge sprang. Ein strahlendweißes Colgate-Grinsen, graue Augen, blondes Haar und ein 3-Tage-Bart – damals genau mein Typ. Schnell stellte sich heraus, dass er nur wenige Jahre älter war als ich, eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker machte und im Nachbarort wohnte. Strike!
Ich schickte ihm noch am selben Abend eine Freundschaftsanfrage, die er am nächsten Morgen annahm und gleich die erste Nachricht hinterherschickte. Auf die Erste folgte unzählige weitere, viele tiefgründige und vertraute Gespräche, die ich so noch nie mit einem Mann geführt hatte. Und ohne ihn je ein einziges Mal gesehen zu haben, hatte ich immer so ein leichtes Herzklopfen, wenn ich an ihn dachte.