Ich habe mich entschlossen, dich endlich zu vergessen

Meine Krankheit wurde wieder lauter, verstärkt durch den Stress und die Sorgen, die ich mir inzwischen aufgrund unserer Krise machte. Ich fing an zu reden, mich zu öffnen, dir von meinen Ängsten zu erzählen. Von meinen Schmerzen, von den Prognosen meiner Ärzte. Bald stand wieder eine Operation an. Ich sagte dir, dass es mir leid tue, dass ich dich nicht damit belasten wolle, aber es leider ein Teil meines Lebens sei, der manchmal nicht übersehbar ist. Der vieles, aber nicht alles, etwas komplizierter macht. Du hörtest mir zu, sagtest aber wenig.

Ich fing an, mich gänzlich verrückt zu machen, versuchte zu erkennen, wie viel Anteil ich an unserem Tief hatte, was ich dir zumuten durfte, was ich legitimerweise von dir als Zuwendung und Verständnis erwarten konnte. Ich unterhielt mich mit Freunden, meiner Familie. Ich versuchte, mit dir darüber zu reden. Aber es gab nicht die eine Antwort. Mein Leben ist kompliziert, aber ich weiß aus der Vergangenheit, dass das kein Hindernis für eine schöne Beziehung sein muss. Nur bei uns wurde alles immer schlimmer. Ich fühlte mich immer mehr schuldig und habe dich in manchen Momenten fast gehasst. Aber an jedem nächsten Morgen waren die grauen Wolken wieder davongeblasen. Irgendwie schafften wir so noch drei Monate.

Doch eines Morgens nach dem Aufwachen griff ich nach meinem Handy und las deine lange, letzte Nachricht. Zwei Sätze davon haben sich in mir festgebrannt und ich werde sie seitdem nicht mehr los: „Ich kann und will das alles nicht mehr“ und „Ich wünsche dir, dass du eine Frau findest, die dazu bereit ist.“

Danach kam eine Leere, die noch ohne Wut war.

Und nach der Leere kam die Wut.

Auf die Wut folgte Verzweiflung.

Und auf die Verzweiflung folgte irgendwann Ernüchterung.

Jetzt ist es wieder still genug in mir, dass ich dir das alles schreiben kann. Es kommt gar nicht darauf an, ob du das wirklich jemals lesen wirst. Aber versteh bitte: Das musste raus aus mir.

Ich habe mir einen Bolzenschneider gekauft und zwei Dosenbier. Habe mir noch ein letztes Mal Fotos von dir angesehen. Das Bier werde ich trinken und dann mit dem Bolzenschneider zur Elbe spazieren, an den Landungsbrücken entlang und dann zu „unserem“ Ort. Ich werde „unser“ Schloss suchen und das tun, was zu tun ist. Wenn das Schloss dann seelenlos am Boden liegt, werde ich es aufheben und runter zum Fluss tragen. Ich habe mich entschlossen, dich endlich zu vergessen.

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