Sie war jedes Mal vergeben, wenn er es versucht hat: mal mehr, mal minder glücklich. Aber sie war vergeben. Jetzt ist alles anders. Sie ist vergeben: aber sehr unglücklich. Ein Leserbeitrag
Von Selbstzweifeln fast völlig aufgefressen sitze ich nun also im Auto. 15 Uhr am Treffpunkt. So haben wir es ausgemacht. Du hast jetzt locker schon Wochen darum gebeten, mich zu sehen. Vor Jahren haben wir uns kennengelernt. Zufällig. Wir hatten immer lockeren Kontakt. Auch wenn ich dich lange für einen stinkstiefeligen, arroganten Einfaltspinsel gehalten habe, wollte ich wissen, was hinter der Fassade steckt. Irgendwas an dir machte mich neugierig. Dasselbe galt scheinbar für mich, denn du versuchtest es immer wieder und wieder. Jahre lang hast du probiert, mich aus der Reserve zu locken. Und immer wieder einen Korb kassiert – aber auch immer wieder meine insgeheime Bewunderung für dein Durchhaltevermögen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich dir die Enttäuschungen durch meine Körbe gern erspart. Ich bin normalerweise nicht so. Eigentlich sogar ganz nett. Aber bei dir war es schon immer anders.
Ich fahre von der Autobahn ab. Gleich bin ich da. Am Treffpunkt. Wie vereinbart. Vor nicht mal einer Stunde hatte ich alles absagen wollen. Aus Verzweiflung. Aus Selbstzweifeln. Wir schreiben jetzt schon lange sehr häufig. Eigentlich nur belanglose Dinge. Was macht der Job? Wie läufts mit den Hobbys? Und dann eben die gleiche Frage wie all die Jahre: “Was macht die Liebe?”
Ich war jedes Mal vergeben, wenn du es versucht hast. Mal mehr, mal minder glücklich. Aber ich war vergeben. Und ich bin jetzt vergeben. Nur dieses Mal sehr unglücklich. Aber eben auch schon sehr lange. Und ich bin treu, auch wenn mein Partner es nicht ist. Deswegen diese Zweifel. Ich habe einen Urlaub geplant mit ihm. Aber eigentlich würde ich lieber die freie Woche mit dir verbringen als mit ihm. Selbstzweifel. Schluss machen? Nein, das kann ich nicht. Ich liebe ihn ja noch immer und wir sind schon so lange zusammen. Aber es gibt eben jetzt auch dich …