Sind Asexuelle zu Unglück und Einsamkeit verdammt? Unsere anonyme beziehungsweise-Leserin ist asexuell und outet sich. Und macht ihrem Partner ein Liebesgeständnis, weil der sie so annimmt, wie sie ist
Asexuell. Im Wörterbuch findet man dazu nur eine sehr kurze und knappe Definition. Diese stimmt auch mit dem Bild überein, das die meisten Menschen von Asexualtität haben: Der- oder diejenige ist jemand, der absolut keine sexuellen Gefühle hat und sich zu keinem Geschlecht hingezogen fühlt. Diese Erklärung macht traurig und schmerzt, denn sie kann überhaupt nicht fassen, welche verschiedenen Arten von Asexualtität es tatsächlich gibt.
Diese sehr klare und nur schwarz-weiße Definition hat mich zu Beginn meiner Reise zu mir selbst lange davon abgehalten zu glauben, dass ich vielleicht asexuell sein könnte. Ich dachte mir damals, ich bin doch nicht asexuell, ich finde Jungs eigentlich süß und einen Freund hätte ich auch gerne. Ich habe mir eingeredet, dass es etwas anderes sein muss, dass mich kein Interesse an Küssen oder Sex verspüren lässt. Vielleicht habe ich einfach nur nicht den Richtigen kennengelernt? Vielleicht mache ich etwas falsch?
Nach den ersten Malen Sex (Ja, auch ich habe es getan, denn das war „normal“, alle haben es gemacht) dachte ich noch, dass es nicht unüblich ist, dass Sex zu Beginn nicht bahnbrechend wäre. Die Erfahrungen meiner Freundinnen haben auch dazu beigetragen: „Das erste Mal ist immer schlecht“, „Keine Sorge, Sex braucht Übung“, – all diese Sätze trugen nicht dazu bei darüber nachzudenken, ob es vielleicht noch etwas Anderes sein könnte.
Sex war nie bahnbrechend oder wichtig für mich als Asexuelle
Dann irgendwann, nach mehreren unbefriedigenden Erlebnissen in puncto Sexualität und Zuneigung, habe ich dann meinen jetzigen Freund kennengelernt. Zu Beginn unserer Beziehung spielte das Thema Sex eine relativ normale Rolle. Ich ließ mich treiben und tat, was man eben in einer Beziehung so tut.
Meinem Freund fiel nicht auf, dass ich Sex eigentlich nur ihm zu Liebe „mitmachte“. Die Wahrheit war, dass ich ihn emotional sehr liebte und ich ihn äußerlich auf jeden Fall hübsch fand. Sex hatte ich hin und wieder auch gerne mit ihm, aber nicht, weil mich der Sex reizte, dabei empfand ich keinerlei Triebe oder Verlangen. Stattdessen mochte ich, dass ich ihm etwas gab, das ihn glücklich machte. Ich mochte, dass wir uns nah waren, aber ein richtiges Verlangen nach ihm, seinem Körper und nach einem Orgasmus, hatte ich nie.
Irgendwann war die Beziehung gereift, wir Ende 20 und ich eine erwachsene Frau, die nicht mehr einfach nur „mitmachte“, sondern offen und ehrlich zugab, dass sie heute keine große Lust auf Sex verspürte. Die körperlichen Zuneigungen wie Küssen, Streicheln etc. wurden weniger und mein Freund auch etwas unglücklicher, denn er verstand nicht, was es war, dass mich davon abhielt, hatte ich es früher doch immer gemocht, oder etwa nicht?
Da begann ich, mich noch einmal mit dem Thema auseinanderzusetzen, ich recherchierte über die verschiedensten Dinge und dann plötzlich fand ich ihn, einen Chatroom zum Thema Asexualtität. Darin gab es Betroffene mit so vielen verschiedenen Formen der Asexualtität und ich verstand, dass man nicht komplett nach Definition asexuell sein muss, um tatsächlich asexuell zu sein.
Ich fühlte mich befreit, als ich meine Asexualität akzeptierte
Ich begann mir endlich einzugestehen, dass ich einfach schlichtweg kein Interesse an Sex habe und sich das vermutlich auch niemals ändern wird. Es war befreiend endlich dazu zu stehen. Ich hatte ein langes Gespräch mit meinem Freund und auch ihm fiel eine Last von den Schultern, hatte er doch geglaubt, meine Liebe zu ihm hätte in den letzten Jahren nachgelassen.
Ich bin in solchen Dingen sehr pragmatisch und so gab ich ihm die Erlaubnis, mit anderen Frauen zu schlafen, wenn seine Triebe es nicht zulassen, dass er mit einer Frau zusammen ist, die kein Bedürfnis nach Sex verspürt. Doch so war und ist er nicht, er gab offen zu, dass er Sex brauchte und er nicht ohne leben wolle, er aber bereit sei ein Leben mit sehr wenig Sex zu führen, wenn es denn mit mir an seiner Seite sei.
Von da an war alles leichter, wir hatten nur dann Sex, wenn ich das entschied. Das bedeutet nicht, dass wir gar keinen Sex mehr hatten, nur, dass ich entscheiden konnte, wann ich bereit war, ihm zu geben, was er sich wünschte. Ich war nicht mehr gestresst, weil ich unbedingt vorspielen musste, dass ich mich „nach seinem Körper verzehrte“.
Im Forum für Asexualität habe ich gelesen, dass viele Asexuelle sich nach ihrem „Outing“ besser fühlen und ich habe mich gefragt, ob ich mich auch vor meinen Freundinnen „outen“ sollte. Es würde mir die Peinlichkeit ersparen, in Frauengesprächen über Sex entweder zu schweigen oder irgendwelche sexuellen Erfahrungen „schönzureden“.
Aber dann, als ich das Thema Asexualität gegenüber ein, zwei Freundinnen mal ganz neutral ansprach, da sprachen sie alle davon, dass Asexualität bedeutet, dass man auch nicht liebt oder kein romantisches Interesse an Männern oder Frauen habe und es fielen auch Bemerkungen darüber, dass der Kerl, wenn der Sex einem nicht gefiel, einfach nur schlecht im Bett sei.
Ich fühle mich geliebt, weil mein Partner mich annehmen kann
Dieses Vorurteil würde ich hiermit gerne vehement aus der Welt schaffen: Mein Freund hat durchaus Ahnung von dem, was er tut, nicht jeder Mann schafft es, einer Asexuellen auch hin und wieder einen Orgasmus zu verschaffen! Und dann dachte ich mir, warum sollte ich etwas dazu sagen? Es geht die Leute nichts an, was zuhause in meinem Bett geschieht.
Jemand der homosexuell ist und sich outet, der möchte sich der Welt öffnen, da seine sexuelle Orientierung auch etwas mit seinem öffentlichen Leben zu tun hat z.B. wenn er/sie mit seinem Partner/in händchenhaltend ins Kino geht. Aber für mich persönlich hat meine Asexualität eher etwas von einer sexuellen Vorliebe und ich kenne niemanden, der unbedingt vor seinen Eltern outen muss, dass er/sie auf Fesselspielchen im Bett steht.
Doch irgendwo wollte ich mich outen und aus diesem Grunde habe ich mich entschieden, diesen Artikel zu verfassen. Es soll kein Outing in dem Sinne sein, denn ich möchte vielmehr Aufklärung betreiben, zeigen, dass es verschiedensten Formen der Asexualität gibt und man durchaus in der Lage ist eine „normale“ Beziehung mit jemandem zu führen, der Hetero- oder auch homosexuell ist, wenn diese Person sich darauf einlässt.
Und deshalb ist dieser Artikel auch eine Liebeserklärung an meinen Partner, einen Mann, der es schafft, mich so zu lieben wie ich bin und der es schafft – für mich – Sex nicht so wichtig zu nehmen.
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