Nicht nur in diesem Fall – aus seiner Perspektive – ist dies einfach und eindeutig. Trauer und Angst und Verzweiflung sind Emotionen mit einer wichtigen Botschaft an uns: Kümmere dich! Da ist etwas Bedrohliches, das deine Aufmerksamkeit benötigt. Aus der Emotionsforschung und aus Emotionsfokussierten Therapien wissen wir, dass das Unterdrücken und Beiseiteschieben unangenehmer Gefühle diese mittel- und langfristig verstärken. Wenn dann noch Druck hinzukommt, von sich selbst „Ich bin ein schlechter Partner, so negativ wie ich die ganze Zeit denke!“ und der Partnerin „Nun nimm dich doch einmal zusammen!“, dann wird die Belastung noch größer. Es ist natürlich wichtig, die Ängste des Partners ernst zu nehmen und ihm damit zu zeigen: „Ich bin da für dich, ich höre dir zu, ich nehme wahr, dass es dir nicht gutgeht.“ Aber zu sagen: „Du hast ja recht, wir werden alle bald und entsetzlich sterben!“ Das kann wohl kaum die Lösung sein, oder?
Es ist schlimm, aber nicht verloren
Was ganz sicher nicht hilft, ist dem Partner klarmachen zu wollen, wie viel schlechter es andere haben. „Wir könnten auch in einem Land mit Bürgerkrieg leben!“, ist Whataboutism und rettet keinen Thunfisch und schreckt kein Corona-Virus. Der Partner fühlt sich dadurch unverstanden, im schlimmsten Fall nicht ernst genommen. Das kratzt an der Basis eine Beziehung, dem Vertrauen, sich mit allen Sorgen an den Partner wenden zu können. Denn warum gehen wir Beziehungen ein? Klar, aus Liebe. Aber auch weil wir gemeinsam Krisen leichter bewältigen können.
So lässt sich auch erklären, warum so viele Paare in Krisenzeiten regelrecht zusammenwachsen und gestärkt aus solchen Erfahrungen herausgehen. Das gute Gefühl, gemeinsam etwas überstanden zu haben, verbindet. Was aber, wenn die Krise niemals aufzuhören scheint? Wenn das Erfolgserlebnis ausbleibt, auf das man stolz zurückblicken kann? Wie bewahrt sich ein Paar Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit?
Auf kognitives Verstehen muss Erleben und Fühlen folgen
Es ist eine Sache zu verstehen, dass eigene Verhaltensweisen die Beziehung schädigen können, es ist eine andere, diese Verhaltensweisen zu verändern. Viele Betroffene sagen dann: „Das kann ich nicht!“ Dabei wäre richtiger zu sagen: „Ich mache es nicht, weil mir der Antrieb zur Veränderung noch fehlt.“ Ein solcher Antrieb kann sein, erlebbar zu machen, wie sich diese Veränderung anfühlen wird. Es geht nicht um Argumente, es geht um den spürbaren Beleg, dass es nach der Veränderung besser sein wird als vor der Veränderung.
Dass wir viel mehr negative Emotionen kennen als positive, hat einen einfachen Grund. Emotionen sind eine Art Warnanlage, um uns frühzeitig auf Gefahren aufmerksam zu machen. Das ist vor allem gut – und manchmal schlecht. Denn wenn unsere „Alarmanlage“ permanent durch kleine und große Gefahren aktiviert und sensibilisiert ist, dann reagiert sie auch ununterbrochen. Was sie nur noch empfänglicher macht. Füttern wir also bedrohliche Gedanken mit bedrohlichen Informationen, sehen wir bald nur noch Bedrohliches um uns herum.
Es braucht etwa fünf positive Impulse, um einen negativen Impuls auszugleichen. So stark ist unsere Warnanalage eingestellt, um unser Überleben zu sichern. Zehn Minuten Katastrophenmeldungen am Morgen bräuchten rein rechnerisch fast eine Stunde an Katzenbildern, Hundewelpen, Einhörnern auf grünen Wiesen oder Kampfkuscheln mit dem geliebten Partner, um aus einem beschissenen Start in den Tag einen positiven und energievollen zu machen!