Gib mir meinen Frieden zurück

In diesen anderthalb Jahren hattest du so viele Namen, all meine Lieder handelten immer nur von dir. Einen Tag, nachdem mir die Bekannte über den Weg gelaufen war, sendete sie mir deine Kontaktdaten. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen. Einen dümmlichen Trottel ungerechtfertigterweise vor den Kopf zu stoßen, war nicht meine Art. Um den Anschein von Flirten etc. aufrecht zu erhalten, hielt ich mich an die Regeln eines Mannes, wie man Männer für sich gewinnt. Also schrieb ich dir einige Tage später – und entschuldigte mich. Prompt bist du aufs Ziel losgeschossen und fragtest mich ohne Umschweife nach einem Treffen. Ich zögerte es künstlich hinaus, wurde in der darauffolgenden Zeit krank. An einem schönen Montag, exakt 23 Tage nach unserer ersten ungewollten Begegnung, wollte ich es wissen. Deiner SMS, „ein Coffee in the Sun …“, konnte ich nicht widerstehen und folgte dem Ruf. Obwohl hungrig, noch müde von der Erkältung und mit nur einer Stunde Zeit, trafen wir uns.

Als du auftauchtest, war er wieder da, dieser Stress, diese Anspannung in deiner Ausstrahlung. Um diese Spannung auszuhalten, redete ich, redete, redete. Wirres Zeug und mich um Kopf und Kragen. Ich beobachtete mich selbst, fragte mich, was zum Geier redest du da? Deine Stimmung sank. Du warst ungehalten, unterbrachst mich, machtest dich über Dinge lustig, die mir wichtig waren. Ich erwähnte eine Nebensächlichkeit. Dass ich wieder angefangen habe, mich für Kunst zu interessieren und vor einigen Jahren eine bestimmte Arbeit sehr wichtig für mich gewesen sei. Du sagtest, du seist dieser Künstler.

Plötzlich stand der alles übertönende, allumfassende Schmerz wie ein lautes Schiffsdröhnen, brechend, berstend, kreischend, zerrend im Raum. Diese eine Stunde, die ganzen Parallelen, gemeinsame Interessen und Bekanntenkreise waren wie eine Hand, die mir mit einem Schlag mein ganzes Leben durch den Leib gezogen hatte. Als würde ich am offenen Brustkorb operiert, bei vollem Bewusstsein. Dieser Moment, als die ganzen Mauern und Schutzmechanismen zusammenbrachen und ein zutiefst verletzter, trauriger Junge sichtbar wurde. Augen voller Schmerz.

Was war ich für ein Trottel gewesen, was war ich für ein Idiot gewesen. Was passierte da? Was um alles in der Welt passierte da? Was war das, was da mit mir passierte? Was waren das für Schreie, überbordender Schmerz, Hilflosigkeit, Brennen? Erst da erkannte ich: alles Fassade. Hohlbirne, Angeber, Dummschwätzer, Frauenverachter … Alles Lüge. Mauer, um den verletzten, verwirrten Jungen zu schützen. Heillos überfordert, innerlich zusammenbrechend, fühlte ich, was du fühltest.


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