Ein paar Jahre vergingen, ich wurde zweiunddreißig (nicht schön …) und wünschte mir langsam immer mehr ein Kind. Ich gebe zu, dass ich mich über Monate sehr intensiv mit mir selbst, meinem „Freund“ und (gedanklich) auch mit anderen Männern auseinandersetzte. Teils auch sehr kritisch. Ich stellte alles infrage, ich ließ alle Gedanken zu. Auch das Beenden meiner Freundschaft Plus, um einen Mann zu finden, für den ich „brannte“ und mit dem ich würde Kinder haben können. Ich war mehr als verwirrt, ich glaubte, vor der Entscheidung meines Lebens zu stehen. Doch irgendwann stellte ich erstaunt fest, dass ich doch eigentlich alles hatte! Ich hatte einen Freund, der zu mir stand, der immer für mich da war, wenn ich ihn brauchte, der mich unterstützte und verteidigte, der mich in Ruhe ließ, wenn ich Ruhe brauchte, der mich mit Aufmerksamkeiten überraschte und exakt meinen Humor teilte. Ich hatte ein Sexleben, das für mich völlig befriedigend war. Ich hatte einen Job, in dem ich mich wohlfühlte, Freunde, Familie … Was brauchte ich mehr?
Es gab nur eine Sache, die ich zu tun hatte. Ich musste meinem Freund gegenüber ehrlich sein, musste ihn in mein Gefühlschaos einweihen, eigentlich die einzige Sache, die ich ihm jemals verheimlicht habe. Wir setzten uns also eines Abends bei mir aufs Sofa, öffneten einen Weißwein und redeten. Ich legte mich in seine Arme, er hielt mich. Es war so vertraut und schön, so sicher. Ich dachte wieder: Du hast doch alles, jetzt mach den Mund auf.
Und so erzählte ich ihm von meinem Wunsch und er sagte „Wow!“, und später sagte er dann noch, dass er ebenfalls ein Kind wolle. In einer Liebesbeziehung wären jetzt vielleicht Tränen gekullert und wir hätten uns vor Leidenschaft wild auf dem Boden des Wohnzimmers gewälzt. Bei uns war das wie gesagt alles etwas nüchterner. Nicht pragmatisch, aber die zunächst lose Idee, wir könnten doch auch als Freunde Eltern werden, löste in uns halt auch keine emotionalen Jubelstürme aus.
Es dauerte einige Monate, ehe wir uns dazu durchringen konnten, konkretere Schritte einzuleiten. Erst mussten wir uns über einige Eckpunkte verständigen. Wie würden wir leben? „Was“ wären wir für unsere Freunde und Familien (bisher galten wir einfach als enge Freunde – in unsere sexuelle Beziehung waren nur sehr wenige eingeweiht)? Wie exklusiv wäre unsere Beziehung? Wie sähe das konkret mit einer eingetragenen Vaterschaft aus? Wie mit dem Finanziellen? Elternzeit? Erziehung? Und viele Fragen mehr. Ich stellte meinem Freund auch offen die, zugegebenermaßen sehr direkte, Frage, ob er das alles nur mitmachen würde, um mich nicht zu verlieren oder ob er vielleicht doch heimlich in mich verliebt sei. Er verneinte beides, und bis heute habe ich kein Zeichen dafür entdeckt, dass er mir in dieser Hinsicht etwas vorgemacht hätte.