Doch natürlich sagte ich dir nichts. Ich machte weiter wie immer. War dir eine gute Freundin wie immer. Ich versuchte, es zu ignorieren, zu verdrängen. Unsere Freundschaft war so etwas Besonderes, verlieben war da nun mal nicht drin. Doch so einfach, wie ich mir das vorstellte, war das leider nicht. Ich sah dich überall. In allem und jedem. Wenn wir die Wochenenden zusammen verbrachten, merkte ich, dass es anders war. Ich hatte dich noch nie angelogen oder dir etwas verschwiegen. Aber jetzt war da etwas zwischen uns. Etwas worüber ich mit meinem besten Freund nicht sprechen konnte.
Wenn ich mich mit einem anderen Mann traf, sah ich immer nur dich. Wünschte mir, in deinen Armen zu liegen. Ich ging nie etwas Verbindliches ein, weil ich die Hoffnung nicht aufgeben konnte, dass du dich daran erinnerst, wer dein Leben eigentlich mit dir teilen sollte. Ich verglich alles und jeden mit dir und diese Vergleiche waren sehr ernüchternd. Ernüchternd, dass ich mich auf niemanden voll und ganz einlassen konnte. Ernüchternd, dass ich dieses Gefühl der Geborgenheit und Vertrautheit nur bei dir empfand. Ernüchternd, dass ich am Ende des Tages, wenn ich meine Augen schloss, nur dein Gesicht sah.
Und genau deshalb brauchte ich Abstand. Abstand von dem Menschen, der mir die Welt bedeutet. Darum habe ich auf deine Anrufe und Nachrichten nicht reagiert. Deshalb bin ich dir aus dem Weg gegangen. Glaub mir, dass mir das nicht leicht gefallen ist und nie leicht fallen wird. Aber es musste sein. Einfach, damit mein Herz nicht in Tausend Teile zerbricht. Ich musste egoistisch sein und mich selber schützen.
Weißt du, es gibt in meinem Leben kein Ereignis, das ich nicht mit dir in Verbindung bringe. Keinen Geburtstag, kein Weihnachtsfest, an dem du nicht an meiner Seite warst. Es gibt unzählige Bilder und Erinnerungen, die uns zusammen zeigen. Ich kann nicht einmal meine Wohnung betreten, ohne dass mich alles an dich erinnert. Von jedem zweiten Bild lächelst du mich an. Alleine meine Möbel, die du mir in den vierten Stock meiner Altbauwohnung geschleppt hast. Die Delle in der Kühlschranktür. Der Rotweinfleck auf dem Sofa. Die DVD-Sammlung im Regal. Das Lied, das im Radio läuft. Die Tasse, aus der ich morgens meinen Kaffe trinke.
Und in der Zeit, in der ich Abstand bauchte, in der ich dir nicht nur diese beste Freundin sein konnte, lerntest du deine jetzige Ehefrau kennen. Sie ist zu dir nach Leipzig gezogen. In deine Wohnung, die wir damals zusammen für dich ausgesucht haben. Die wir zusammen eingerichtet haben. In der wir die ersten Nächte gemeinsam verbrachten.