Unsere anonyme Leserin lernte einen attraktiven Mann kennen und lieben. Doch eines Morgens machte sie eine unerwartete Entdeckung, die ihre Liebe auf eine harte Probe stellte
Nach einer gemeinsam verbrachten Nacht erwachte ich lange vor dir. Es war noch früh, aber ich war hellwach. Ich ließ dich schlafen, blickte von der Schlafzimmertür noch einmal zurück zu dir, wie du da in unsere extragroße Decke eingekuschelt dalagst, nachtwarm und mit den friedlichen Zügen eines Kindes. Ich war glücklich. Ich war schon seit Tagen glücklich. Ich hatte beschlossen, glücklich zu sein – und die Zweifel einschlafen zu lassen.
Ich hatte nur auf mich selbst geschaut und in die Vergangenheit
Ich ging in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Du würdest noch ein, zwei Stunden weiterschlafen, das kannte ich bereits. Ich musste lächeln, wegen unseres stillen Glücks. Lange Zeit war ich verkrampft durchs Leben gehetzt, Knoten unter meinen Schulterblättern und feine Schnitte im Herzen, die von meiner letzten Beziehung herrührten. Ich hatte nicht nach links und rechts geschaut, nicht nach vorne, sondern immer nur auf mich selbst und in die Vergangenheit. Je mehr ich das getan hatte, desto stärker wurde der Schmerz. Doch dann warst du in mein Leben getreten.
An meiner Bürotür hatte ein Zettel gehangen, den ich natürlich aufbewahrt habe. „Wichtig: Unbedingt zurückrufen und Kaffeedate vereinbaren!“ Das war ganz schön forsch und mutig gewesen. Ich war beeindruckt und auch etwas ängstlich. Ich kannte dich nur flüchtig vom Sehen her, aus Meetings. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch kein einziges Wort miteinander gewechselt. Du hast bei uns gearbeitet, um dein Studium zu finanzieren. Das war alles, was ich über dich wusste.
Ich wollte einen Charaktermann an meiner Seite
Ich schrieb dir, für ein Telefonat fehlte mir der Mut. Und dann trafen wir uns ein paar Tage später in einem Café und spielten das Spiel namens Kennenlernen. Ich fand dich attraktiv, eloquent und intelligent. Ein echter Gentleman mit einer guten Portion Humor und Ausgelassenheit. Du hattest keine Probleme damit neue Menschen kennenzulernen und hast es genossen von Menschen umgeben zu sein – ich mag das. In dieser Hinsicht sind wir uns sehr ähnlich.
Ich erfuhr so einiges über dich, aber ein paar Dinge blieben im Dunkeln, wie das beim Dating ja immer so ist. Wir redeten zum Beispiel kaum über die Arbeit und ich wusste lange Zeit gar nicht genau, was du in unserem Unternehmen machtest. Überhaupt hieltst du dich bezüglich deiner Vergangenheit bedeckt, obwohl ich sehr neugierig gewesen wäre, mehr über sie herauszufinden. Auch dein Alter kannte ich nicht, traute mich aber irgendwie nicht, dich zu fragen. Mit deinem Vollbart und festem Blick sahst du sehr maskulin aus, vielleicht ein, zwei Jahre jünger als ich. Aber all das fand ich völlig okay. Ich wollte keine Oberflächlichkeit, sondern einen Charaktermann an meiner Seite.
Irgendwann landeten wir auch im Bett und ich werde den Muskelkater am nächsten Tag ganz sicher nicht vergessen. Es lief bei uns, wie man so sagt. Ganz klassisch, ganz ohne großes Drama oder Irritationen. Ich hörte zunehmend auf, an meine Vergangenheit zu denken. Allerdings dachte ich nun noch sehr viel mehr über mich selbst nach. Ich zweifelte. Woran, wollt ihr wissen? Nicht an ihm, sondern an mir, und dadurch dann schließlich auch an dem, was wir gemeinsam hatten, von dem ich noch nicht genau sagen konnte, was es eigentlich war. Ein Kennenlernen, Dating, vielleicht sogar schon eine Beziehung. Sagen wir: Ich zweifelte an unserem Miteinander. Warum? Weil ich zunehmend nicht verstand, was dieser tolle Mann an mir fand.
„Er ist perfekt, aber du wirst ihn wieder verlieren“
Ich weiß, das ist verrückt. Aber ich hatte das auch vorher schon manchmal gehabt. Dieses nagende, fiese Gefühl, das dem Herzen einflüstert: Das ist er, der Eine, der ist perfekt, der komplettiert dich – aber du wirst ihn wieder verlieren, wirst ihn nicht halten können. Du reichst nicht aus. Du reichst ihm nicht. Das wird nicht gut ausgehen.