Kann aus Freundschaft mehr werden? Was geschieht, wenn die Liebe geht, kann dann die Freundschaft noch Bestand haben? Unsere anonyme Autorin hat beides verloren
Du warst kaputt, völlig fertig, als wir uns über gemeinsame Bekannte kennen lernten. Stecktest in einem tiefen schwarzen Loch, welches immer stärker von dir Besitz ergriff und dich in den Abgrund zog. Du hast dich sogar selbst verletzt und damit nicht hinterm Berg gehalten. Ich sah an diesem Abend einen sensiblen Typen, der mit dem Leben nicht klarkam. Es war reine Sympathie und eine Portion Mitleid, die mich dazu brachte, dir die Ohren gehörig langzuziehen – obwohl wir uns kaum kannten und ich keinerlei Recht hatte, mich in deine Welt einzumischen. Aber es machte mich wütend zu sehen, wie ein hübscher junger Typ wie du es warst, sich hängen ließ und keine Perspektive sah.
Dieser Moment, die deutlichen Worte, die heftige Diskussion über Selbstwert und das Leben, machte etwas mit uns. Nach diesem Abend spürten wir eine tiefe Verbundenheit und so entwickelte sich unglaublich rasch eine Freundschaft, in der jeder von uns all seine Schwächen zugab und von den Stärken des anderen aufgefangen wurde. Wir gingen zusammen feiern, schliefen danach kuschelnd in einem Bett ein und wachten lächelnd auf. Nur platonisch? Das redeten wir uns eine gewisse Zeit ein.
Der Silvesterabend brachte die Wende. Wir standen auf der Tanzfläche, vergnügt und ausgelassen, bis ich eure Blicke bemerkte. Anfangs verstohlen, dann immer deutlicher. Ich sprach dich an, wer diese Frau sei und du erzähltest mir, dass du sie vergangene Woche kennengelernt hättest. Zum Jahreswechsel war ich allein. Du standst eng bei ihr und begrüßtest das neue Jahr mit einem Flirt. Ich brach in Tränen aus. Statt mich mit dir zu freuen, spürte ich nur noch Schmerz und Eifersucht. So sehr ich mich bemühte, es mir nicht anmerken zu lassen: du hast es gemerkt und mich beiseite gezogen. Auf einmal war es da, das Knistern, die Spannung, das Zittern und der Mut, sich einzugestehen dass mehr als nur Freundschaft zwischen uns war. Du zogst mich an dich, nahmst mich in deine Arme, ich sog deinen Duft ein, schmiegte mich eng an dich und wagte es, erst deinen Hals, dann deine Wange und schließlich deinen Mund zu küssen. Mein Herz machte Luftsprünge vor Aufregung und auch Angst, zurückgewiesen zu werden. Doch du bliebst. Berührtest mich sacht und erwidertest meine Küsse. Wir konnten nicht glücklicher sein.