Ein Brief nach Pakistan

Unsere anonyme Leserin hat sich in einen Mann aus einem anderen Kulturkreis verliebt. Die Unterschiede, die sie anfangs fasziniert haben, wurden jedoch schließlich zu Gegensätzen, die unüberbrückbar scheinen

Du kommst aus einem anderen Land, aus einer anderen Gesellschaft. Du bist aus Pakistan. Aus dem Westen Pakistans, dem Teil deines Landes in dem die Taliban den stärksten Einfluss haben. Du bist ein Paschtune. Du gehörst zu einem sehr stolzen Volk. Und du bist stolz darauf, ein Paschtune zu sein. Stolz, zu diesem Volk Menschen zu gehören, das die Engländer nicht unterwerfen konnten. Ein Volk mit strengen Werten. Strengen Purdah Gesetzen. Einem strengen Ehrenkodex. Das jeden Verstoß unnachgiebig ahndet.

Als 18-Jährige hat das alles eine große Faszination in mir ausgelöst. Ich mochte meine Welt nicht. Ich hatte eben mein Abi hinter mir und wollte weg von allem. Lernen, Schule, einem viel zu strengen, fordernden Schulsystem. Ich wollte der engen Kultur von uns Deutschen entfliehen. Mich entfesseln, befreien. Ich sah mich als Weltbürgerin, die die Welt entdecken wollte. Und da mein Plan nicht klappte, nach Argentinien zu gehen, zog ich nach Berlin. Eine Großstadt. Zwar deutsch, aber trotzdem eine andere Welt voller neuer Gesichter und Möglichkeiten.

Du hattest eine Faszination in mir entfesselt, die du dir nicht vorstellen kannst. Du warst die Verkörperung einer fremden neuen Welt, die ich entdecken wollte. Du warst ganz anders als alle Menschen, die ich aus meiner Kleinstadt kannte. Du hast meinen Horizont erweitert wie kein anderer Mensch es gekonnt hätte. Ich wurde in meinem Herzen selbst zu einer Paschtunin. Denn du warst ein Paschtune.

Um alles über dein vorheriges Leben zu erfahren und mich angemessen mit dir unterhalten zu können, ohne dich zu verletzen, ohne aus Versehen in deiner Gegenwart Schweinefleisch zu essen, las ich alles über Pakistan, was ich finden konnte, las ich alles über den Islam, was ich finden konnte und war von allem teilweise abgeschreckt, aber irgendwie eben doch fasziniert. Denn das war eine andere Welt, die ich neu entdecken konnte und ich war gierig auf alles, was anders und neu war. Ich lernte teilweise Paschto und Urdu, lernte andere Menschen aus Pakistan kennen, lernte die pakistanische Küche kennen. Und fühlte mich deiner Kultur mehr verbunden als meiner eigenen.


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