„Gras bestimmt mein Leben nicht“, behauptetest du. Hast du das echt noch selbst geglaubt? Was du alles schon hättest erreichen können mit dem Geld, welches du in Gras investiertest. Du träumst vom Motorradführerschein, vom Reisen, vom Motorrad … Das hättest du dir bereits zu großen Teilen erfüllen können. Du hättest dein kleines, dich nach wie vor anhimmelndes Geschwisterchen öfter besuchen können. Es verwendet sein hart gespartes Geld, um dir einen teuren Pullover mit der Aufschrift „Niemand ist perfekt, aber als großer Bruder ist man verdammt nah dran“ zu schenken. Deine Mama hat unter Tränen gefragt, ob du diesen überhaupt verdient hättest. Du hast deinem Geschwisterchen zu seiner Jugendweihe einen Gutschein für ein Fahrrad versprochen, den du ein Jahr später noch immer nicht besorgt hast. Denkst du nur an dich? Hast du nur Joints im Kopf? Ja! Du bist nämlich abhängig! Siehst du das nicht?
Du hast bei diesem ehrlichen Gespräch geweint und deiner Familie und mir versprochen, mit dem Gras aufzuhören – Gott, ich war so naiv zu glauben, dass wir es schaffen. Tief in mir wusste ich, dass du weiterhin gekifft hast, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Wir waren beinahe zwei Jahre zusammen und ich wollte dich nicht aufgeben, denn irgendwo hat sich doch so etwas wie Liebe entwickelt. Ich denke schon, dass du mich geliebt hast, aber in deinen Zwängen festhingst. Instinktiv wusste ich das und deshalb habe ich auch nicht viel von dir gefordert. Ich musste weder mit dir ausgehen, noch musstest du mir teure Geschenke machen. Ich liebte dich so, wie du warst und dennoch hast du mir unglaublich wehgetan.
Kurz vor unserem Zweijährigen wolltest du plötzlich zu mir ziehen. Nie hattest du es in Erwägung gezogen und ich hätte damit nie gerechnet, aber ich freute mich riesig! Zwei Fliegen mit einer Klatsche: mein Freund zieht zu mir und ich muss keinen Fremden während meines Auslandsaufenthaltes einziehen lassen. Du warst auch einmal für mich da und unterstütztest mich. Ich hatte einen Höhenflug und sollte tief fallen. Deine anhaltende maulige Art ertrug ich nicht mehr. Kurz vor meiner Abreise teilte ich dir mit, dass ich nicht mehr kann. Familiäre Probleme, deine stetige Unzufriedenheit und studienbedingter Stress kosteten mich zu viele Nerven und ich fühlte mich ungeliebt von dir. Wozu also noch daran festhalten?
Egal, was ich tat, es kam nicht bei dir an und es veränderte sich nichts, aber du meintest, dass du mich liebst und „Vieles geht mit dir doch leichter, weil du meine stützende Seite bist. Ich muss es nur zulassen.“ Hach, das wärmte mein Herz und ich wollte für dich da sein und außerdem winkte meine Auslandsreise schon. „Dann wird er merken, was er an dir hat und dich sehnsüchtig nach drei Monaten erwarten!“, sprach der kleine optimistische Engel auf meiner Schulter. „Dieser Auslandsaufenthalt wird euer Ende sein.“, entgegnete der realistische Teufel auf der anderen Seite. Er sollte Recht bekommen.
Aus der Ferne konnte ich dich nicht so stützen, wie du es gewohnt warst. Kontakt bestand ja nur aus Texten und einem Telefonat alle zwei Wochen, welches von mir ausging. Du versprachst mir, einen Brief zu schreiben – mehr wünschte ich mir zu meinem Geburtstag nicht. Doch auch dies hast du versäumt. Du hast mich wieder einmal mit fiesen Worten verletzt und dein Desinteresse machte mich wütend, weshalb ich dir aus der Ferne viele Gemeinheiten an den Kopf warf. Von mir, deinem stützenden Pfeiler, kam nun auch kein Halt mehr. Ich streichelte dein Ego nicht mehr, denn ich bemerkte, dass ich die Freiheit zu sehr genoss. Kein launischer Freund, der darüber bestimmte, wie mein Tag aussah. Ich konnte tun, was ich wollte. Zu lange habe ich zurückgesteckt, um die Harmonie nicht zu stören. Welche Harmonie?