Du hast mir so viel Zeit gestohlen

Du gingst für fast ein Jahr auf eine Weiterbildung. Eine Fernbeziehung wäre im Moment zu schwer gewesen. Doch wir blieben in Kontakt. Wann immer du da warst, nahmst du dir Zeit für uns. Ich war verliebt, naiv und dumm. Habe Dinge ertragen, die ich mir heute nie wieder bieten lassen würde. Mal waren die Sachen deiner angeblichen, guten Freundin da, mal nicht. Wenn ich fragte, ob ich sie mal kennenlernen könnte, kam ein „Wenn Zeit ist“ von dir.

Mein Misstrauen wuchs stetig und doch war ich wie gelähmt und nicht in der Lage, zu gehen. Ich werde nie vergessen, wie ich auf dem Junggesellenabschied meiner besten Freundin wegen dir in mir zusammengebrochen bin. Wir hatten uns einen Abend vorher unglaublich gestritten und du hast mir gesagt, du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich habe es akzeptiert. Hätte ich an diesem Abend nur nie aufs Handy geschaut und dann noch geantwortet … Dein blanker Hass ist mir entgegen geschlagen. Worte können mehr verletzten als Taten.

Ein paar Tage später bist du unter Tränen zurückgerudert und hast dich entschuldigt. Ich, immer noch verliebt, schluckte jede Kränkung herunter und pochte auf einen richtigen Neuanfang. Mit richtigen Dates und einem neuen Kennenlernen. Du ließt dich darauf ein. Doch mein Misstrauen war zu groß, ich wollte nur noch an etwas festhalten, das im Grunde nicht mehr war. Was wahrscheinlich nie da war.

Ich hatte irgendwann alle Beweise zur Hand, dass du ein Doppelleben führtest, und du wusstest das im Grunde, hast aber nie geglaubt, dass ich diese gegen dich einsetzen würde. So oft hatte ich dich gefragt und immer hast du abgewiegelt: „Da ist nichts.“ Der Zufall half mir schließlich. Über mehrere Ecken kannte ich jemand, der SIE kannte. Der Kontakt war schnell hergestellt. Ich habe die Botschaft, dass SIE die Frau an deiner Seite war, hingenommen. Ich habe ihr alles gegeben, was sie brauchte, um zu begreifen, was du getan hast. Ich habe Verrat an dir begannen – wie du an uns.

Ich habe in den ersten Tagen keine Träne vergossen. Ich war die Ruhe selbst. Eines Abends brach ich zusammen, habe drei Stunden in den Armen meiner besten Freundin geheult – aber dann nie wieder. Du hattest mich überall blockiert und wo du die Blockade aufgehoben hattest, setzte ich sie sofort ein. Alle schlichen um mich herum und warteten auf einen Ausbruch. Aber den gab es nicht.


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