Du hast mir so viel Zeit gestohlen

Trotz einer großen Enttäuschung gibt unsere anonyme beziehungsweise-Leserin sich und ihrem unehrlichen Partner eine neue Chance. Es wird die letzte sein und er sollte alles dafür tun, dieses Mal nicht zu scheitern

Bin ich wieder naiv? Es ist über zwei Jahre her, dass ich dich auf einem Flirtportal angeschrieben hatte. Ich steckte gerade in einer Freundschaft Plus fest, in der ich immer mehr erkannte, dass es kein Vor und letztlich auch kein Zurück mehr gab. Also hing ich da mit meinem einsamen Herzen und scrollte mich durch die Profile wie durch einen Kaufhauskatalog.

Dein Gesicht und dein Profilname ließen mich innehalten. „Schreib ihn an“, flüsterte eine Stimme in mir. „Schlimmer als dass er antwortet, kann es nicht kommen.“ Es kam so schlimm. Du hast geantwortet. Wir verstanden uns, du wohntest nicht weit weg. Das erste Date war nicht perfekt, aber schön.

Es lief alles ganz gut – wir schrieben, verstanden uns gut. Du ludst mich zu dir ein. Der Abend war komisch, ich habe mich nicht wohlgefühlt, darüber hinaus warst du auch ein schlechter Gastgeber. Als ich von dir wegfuhr, war für mich klar: Da wollte ich nie wieder hin.

Ein paar Tage später brach meine Welt wegen eines familiären Schicksalsschlages in sich zusammen. Du gabst dir Mühe, für mich da zu sein. Ich begann, mich auf dich einzulassen. Wir kamen uns immer näher.

Doch ich merkte bald, dass du mir zu entgleiten begannst. Als ich dich darauf ansprach, erhielt ich eine ruhige, lange Antwort, dass es im Sommer nun mal so sei … Zu dieser Zeit fiel mir auf, dass in deiner Wohnung Frauensachen lagen.

Du sagtest, das seien die Sachen von deiner Schwester. Sie war kurz vorher zu Besuch gewesen, es passte, ich fragte nicht weiter nach. Zumal sie anschließend auch nicht mehr da waren. Doch irgendetwas tief in mir ließ mich rastlos und zweifelnd sein. Ich fuhr spätabends bei dir vorbei und sah ein fremdes Auto auf dem Hof. Plötzlich waren da wieder die Frauensachen.

Erst schwieg ich, doch auf den Rat meiner besten Freundin hin sprach ich dich drauf an. Deine Begründung kam so ruhig und besonnen, dass sich kein Zweifel bei mir regte. Eine gute Freundin habe Probleme und du bötest ihr hier Hilfe und einen Schlafplatz an. Ich schluckte es und verschloss die Augen vor der Wahrheit. Für meine beiden engsten Freundinnen muss es in den nächsten Monaten so gewirkt haben, als ob ich lachend in eine Kreissäge hineinlief.


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