Sie wollte ihn wagen, den nächsten Schritt. Doch ihr Schwarm ging nicht mit ihr. Unsere anonyme Leserin über die Notwendigkeit, die eigene Angst zu besiegen und der Liebe eine Chance zu geben
Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt. Ein Schritt in eine neue Richtung. Sei es ein Schritt in einen neuen Job, in eine neue Wohnung, in eine neue Stadt oder auch in eine neue Beziehung. Der erste Schritt erfordert immer Mut, denn wir machen uns bereit für eine Veränderung und Veränderungen bringen immer Unruhe und Unsicherheit ins Leben. Nichtsdestotrotz gehen wir diesen Schritt meistens, um unserem Leben eine neue Richtung zu geben. Wer stehenbleibt – stagniert. Unser Leben würde ziemlich eintönig ablaufen, wenn wir diesen ersten Schritt nie wagen würden.
Doch manchmal vergessen wir, dass nach dem ersten Schritt auch weitere Schritte folgen müssen, um voranzukommen. In den seltensten Fällen gibt es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Lediglich eine gewisse Sympathie kann sich gleich von Anfang an zwischen zwei Menschen einstellen. So wie es bei uns der Fall war.
Unsere erste Begegnung mit dem vielen Lachen und dem Mond und dem Bundestag, den wir erklimmen wollten. Eine Grundsteinlegung für weitere Treffen, in denen wir uns näher kennengelernt haben. Gemeinsame Kinogänge und peinliche Popcorn-Erlebnisse, Spaziergänge am Wasser, endlose Autofahrten bei Tag und bei Nacht, Kochabende und das gemeinsame Ausklingen eines Tages gemütlich auf dem Sofa. Irgendwann kamen wir uns automatisch näher. Dabei gibt es zwei Arten von Nähe – die körperliche und die emotionale. Während die Biologie ihre Theorie der körperlichen Anziehung schnell umsetzt, benötigt die emotionale Ebene Zeit. Ich muss vertrauen, um ich selbst sein zu können und deshalb streckte ich dir nur vorsichtig meine Hand entgegen. Du hättest sie nur ergreifen müssen. Du hättest die Angst vor etwas Neuem verlieren und das Alte nicht in Vergleich setzen dürfen, denn etwas Neues kann nie etwas Altes sein. Ein weiterer Schritt wäre dafür an dieser Stelle erforderlich gewesen.
Meine Erfahrung zeigt allerdings, dass nicht nur wir, sondern auch viele andere, genau an diesem Schritt scheitern. In der heutigen Zeit sind wir darauf getrimmt, dass Perfektion das Ziel ist. Der perfekte Job, die perfekte Beziehung, die perfekte Wohnung, das perfekte Leben, der perfekte Partner. Die Aufzählung kann unendlich weitergehen. Und während du oder auch ich auf der Suche danach sind, vergessen wir dabei, dass nichts von Anfang an perfekt ist. Wir erlangen unseren Karrierestatus durch harte Arbeit, Wohnungen gestalten wir nach und nach, bis wir uns heimisch fühlen, Beziehungen können nur durch gemeinsame Mühen entstehen, ein Mensch wird erst zum Partner, wenn er sich einem öffnet und einem Zugang zu seinem Leben gewährt. Unsere Geschichte war nicht perfekt und doch fühlte sie sich für mich gut an. Ich wollte dieser Entwicklung Raum geben. Wenn Du und alles um uns herum gleich von Anfang an perfekt gewesen wäre, wie hätte ich dann dein Herz kennenlernen sollen und wie du meines? Ein Herz zu erkennen und zu fühlen, benötigt immer Zeit.