Jetzt wusste ich auch, warum er so komisch geschaut hatte, als ich nach seinem Namen gefragt habe. Er war der Mann, mit dem ich die Nacht zuvor knutschend an der Theke stand. Ich kannte ihn nicht, es war mir auch nicht wichtig. Umgekehrt war es für ihn auch nicht wichtig gewesen, zu erwähnen, wer er ist. Es machte ihn für mich immer sympathischer. Wir sahen uns, so oft es ging. Es fühlte sich an wie ein Kitschroman, nur in „echt“. Mich störte nicht, dass er zwischen mehreren Orten pendelte. Ich bin in meinem Job ja auch unterwegs. Das klingt richtig kitschig, aber Liebe kennt eben keine Entfernung. Ich war der festen Überzeugung, dass wir es schaffen könnten.
Ich schlug mir die Nächte um die Ohren, wenn er nachts moderierte, nur um ihm nahe zu sein. Wir schrieben Tausende Nachrichten, jeden Tag. Ich fuhr zum Bahnhof, damit wir uns kurz sehen konnten, wie zwei verliebte Teenager, versteckt im Körper von zwei erwachsenen Menschen. Er kam oft zu mir. Für mich war er mein Mr. Right. Irgendwann beschlich mich das Gefühl, dass da ein Haken wäre. Ich glaube, wir Frauen merken so etwas. Ben hatte Angst, dass wir uns zu selten sehen, dass unsere Jobs es uns nicht leichter machen würden.
Dann war er da, der Tag X.
Als ich von einem Flug zurück kam, machte ich mein Handy an. Ben hatte mir eine lange Nachricht geschrieben, in der stand, dass er kein Interesse an einer Beziehung hatte, da könne kommen wer wolle. Ich fühlte mich, als würde ich ungebremst auf den Asphalt knallen. Was war nur passiert? Ich war die, die ihn verzaubert hatte, die sich mit ihm die Nächte um die Ohren schlug, über die er seinen Kindern erzählt hatte, die ihm so nah war. Gefühlt kannten wir uns eine Ewigkeit.
Meine Antwort: Ich wünschte ihm ein gutes Leben, gefolgt von der Bemerkung, dass ich von einem Mann, der mit Kommunikation sein Geld verdient, mehr erwartet hätte. Dass er mir genau das ins Gesicht sagen kann. Ich war erstaunlich nüchtern in meiner Reaktion, wusste nicht, ob er meiner Bitte nachkommen würde, mich am Flughafen abzuholen.
Aber er war da, er holte mich ab. Wir umarmten, küssten uns, wie zwei Verliebte. Es fühlte sich alles echt und richtig an. Das konnte es doch nicht gewesen sein! Wir fuhren zu mir, redeten die ganze Zeit. Wieso? Weshalb? Warum? Irgendwann ertönte in seinem Sender das Lied „Ultraleicht“ von Andreas Bourani. Meine Tränen nahmen kein Ende, es war unser Lied. „Wo bist du nur gewesen all die wundervollen Jahre?“ Jetzt war er da und ging wieder, mit Tränen in den Augen, weil er mich gehen lassen musste, weil er nicht konnte. Er bezeichnete sich selbst als Idiot, der den größten Fehler beging. Dieser Moment brach mir das Herz, es fühlte sich an, als würde es mir herausgerissen werden.