Deine Stimme im Radio

Sie war mit ihm im 7. Himmel. Sie war glücklicher, als sie je vermutet hätte, dass sie sich fühlen könnte. Und dann stürzte sie ab. Unsere anonyme Leserin über ein kurzes Liebesglück, das sie dennoch nicht vermissen möchte

Ich sitze im Auto und höre seine Stimme. Für mich ist sie noch immer eine der schönsten Stimmen im Radio. Würde er mich heute anrufen und nach einem Treffen fragen, wäre ich wahrscheinlich sofort wieder am Start. Oder besser nicht?

Es fing vor mehr als drei Jahren an. Ich, Dauer-Single und laut meiner Mutter schwer vermittelbar, hatte mich wieder einmal bei einem Online Portal angemeldet. Mein Postfach wurde geflutet, aber oftmals eben auch von Männern, die kein Foto für mich hatten. Ben war ebenfalls einer dieser Kandidaten. Warum ich ihm schrieb, kann ich heute nicht mal mehr sagen, denn für mich ist ein Bild immer eine Art Eintrittskarte, wohin auch immer. Wer sagt, dass lediglich der Charakter zählt, lügt sich wohl richtig in die Tasche.

Nun gut, Ben und ich schrieben eine zeitlang und tauschten dann Nummern aus. Ben machte irgendetwas mit Sprache und Kommunikation . Ich fragte nicht weiter nach, dachte nur, er wird sicherlich auf meine Stimme achten, wenn wir dann irgendwann mal telefonieren. Für mich ist die Stimme immer sehr wichtig, sie muss zum Bild passen. Ist wohl ein wenig eine Art Berufskrankheit, denn in meinem Job als Flugbegleiterin hört man eben viele Stimmen: nicht im Kopf, sondern im Flieger.

Ben rief mich irgendwann an und verzauberte mich mit seiner Stimme, seinem Charme und seinem Humor. Ich dachte, wenn das Bild dann auch noch toll ist, kann das nur ein gutes Date werden. Er schickte mir ein Foto von sich, sitzend auf einer Parkbank, gefühlte 20m weg. Gut, dass man es ranzoomen konnte, in Zeiten von Smartphones. Es war okay, aber ich appellierte an mein blödes Schubladendenken und meine leider immer wiederkehrende Oberflächlichkeit, ein Bild ist manchmal nicht aussagekräftig. Was dann über Monate folgte, war ein reger Austausch von Standorten: Hamburg, Frankfurt, Köln … Wir flogen oder fuhren einfach aneinander vorbei.

Ich hatte ihn irgendwann vergessen, ich wollte mich schließlich in einen Mann verlieben, nicht in wechselnde Standorte. So datete ich weiter nach dem Motto: Pleiten, Pech und Pannen. Mama hatte recht, ich war schwer vermittelbar.

So stand ich eines abends bügelnd in meinem Hotelzimmer und sagte mir: „ Du meldest dich überall ab. Mr. Right wird schon irgendwann kommen“. Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, bekam ich eine Nachricht von Ben. Ich hatte ihn nicht mehr auf dem Schirm gehabt,wie man hier im Norden sagt. Wir beschlossen, uns 2 Tage später zu sehen. Ich dachte nur: „Mist, wie sah er noch mal aus“? Ich wusste nur: groß. Das war alles.


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