Der Tag beginnt ohne das übliche „Guten Morgen“. Kein „Alles ok?“ am Vormittag. Keine Sprachnachricht zum Feierabend. Ich packe meinen Tag so voll mit Aufgaben, dass er platzen würde, wenn er Nähte hätte.
Und doch vergeht kaum ein Moment, an dem ich nicht an dich denke. Beim Yoga sende ich dir gedanklich goldwarme Lichtbälle gefüllt mit Liebe, in der Hoffnung, dass du sie spüren kannst. Auf dass sie dir ein wenig die Seele erleuchten und das Herz trösten.
Wenn man das liest, klingt das reichlich abgefahren. Auch für mich. Du wüsstest, was ich meine. Du würdest mich nicht für seltsam halten.
Abends öffne ich die Tür zu meinem Zuhause. Meiner lichtdurchfluteten Höhle. Kaum dass ich sie betrete, trifft mich der Duft der Erinnerung wie eine Welle. Es riecht nach dir. Nach einer Mischung aus mir und dir. Kokos und kalter Rauch, der von den zwei Zigaretten hängengeblieben ist, die du gestern noch hier geraucht hast. Am Fenster, dein Blick entrückt und mit sinnschweren Gedanken saßt du da. Fast kann ich dich noch sehen.
Der Geruch muss raus, und er soll die Projektion gleich mitnehmen.
Ich will das Fenster öffnen und halte inne. Der weiße kleine Traumfänger, der dort zur Dekoration hängt, hat sich verdreht. Eigentlich sind in sein Holz die Worte gebrannt: „Catch your dreams and make them true“. Wie verhält sich das jetzt in diesem umgekehrten Zustand: Wenn Träume nicht wahr werden können, dann lass sie los? Ich weiß nicht, ob ich mich verhöhnt und erleuchtet fühlen soll. Geht beides gleichzeitig?
Scheiße, du fehlst mir.
Die Teller vom gestrigen Frühstück stehen jetzt sauber im Geschirrspüler. Rühreireste wegradiert.
Immer wieder fällt mein Blick verstohlen auf das Handydisplay. Auf dieses unsäglich giftgrüne Symbol, das doch nur mit diesem roten Farbkontrast erst wirklich interessant wird. Keine kleine rote Ziffer zu sehen. Wenn man meine Gedanken an dich ebenso visualisieren könnte, würde die rote Zahl rechts oben an meinem Kopf wohl beständig steigen. Stumm schalten nützt nichts, die Nachrichten kommen in einer Permanenz rein, dass man mit dem Lesen nicht nachkommt. Ein unsäglicher Gruppenchat zwischen Verstand, Herz und Bauch.
Herz: Wie geht’s euch?
Bauch: Den ganzen Tag schon flau … Und dir?
Verstand: Reißt euch zusammen. Wir haben das alles schon x-mal durchgekaut. Wir halten uns jetzt an den Plan!
Herz: @Bauch, fühl mich gehetzt irgendwie. @Verstand: Sei nicht immer so rational.
Verstand: Sorry, aber so bin ich halt.
Herz: Manchmal nervst du damit.
Verstand: Ich will euch nur beschützen.
Bauch: Leute, vertragt euch … Muss kurz ins Bad. Hätte vielleicht was essen sollen heute.
Und.
So.
Weiter.