Das Leben wieder lernen

Wir verloren unser Kind in der 9. Woche

Dann erfuhr ich von dir, dass du mit jemandem über deine Probleme redest. Der Vorteil war, du konntest dich endlich auch mir öffnen, der Nachteil war, dieser Jemand war weiblich. Du fühltest dich nicht wohl im Haus, es wäre alles zu viel, du rechnetest auf, welche Familie mehr geholfen hätte, ich hätte meine Familie mehr einbinden sollen, viele Sachen sprachst du an, die nicht passten, aber auch vorher nie angesprochen wurden.

Klar, ich fühlte mich auch nicht wohl, seit einem halben Jahr stagnierte das Haus, wir schliefen im Esszimmer, du warst ständig garstig, das Thema Haus war schwierig, Pläne schmieden auch. Im Haus hielt ich es aber nicht mehr aus und begann mit meinem Papa und meinem Bruder in deinen Montagewochen weiterzumachen. Wir hatten seit einem dreiviertel Jahr kein Schlafzimmer, ich wollte es fertig haben, dann wird es besser, war die Hoffnung.

Im September warst du am Hadern, die Kur wurde nicht genehmigt, du fühltest dich nicht zuhause, fandest immer mehr Sachen, die dich an mir störten, von denen ich das erste Mal hörte, trankst tagelang, wir sprachen über Trennung auf Zeit, erstmal raus aus dem Haus, Paartherapie usw.

Du standest vor mir und sagtest, du könntest mich nicht mit dem Ganzen alleine lassen, du würdest bleiben. Ich sagte, das wäre der falsche Grund, du müsstest bleiben, weil du es willst, weil du eine Zukunft für uns siehst. Schlussendlich bliebst du, aus Bequemlichkeit oder Feigheit, ich weiß es nicht.

Du bliebst aus Bequemlichkeit

Ich hoffte, ich kämpfte, 13 Jahre schmeißt man nicht einfach so weg. Ich kämpfte allein. Du gingst Halloween lieber feiern als am Tag danach mit deinem Bruder und deiner Schwägerin zu tapezieren, die verstanden das alles auch nicht, hatten extra Hilfe angeboten und du warst verkatert und wolltest nicht. Die Andere war immer noch in deinem Leben, ein halbes Jahr schon, rein freundschaftlich natürlich …

Meine Schwester fragte mich, warum ich das mitmache. Meine Mama sagte: „Sie muss noch ein paar Mal richtig verletzt werden, dann schafft sie es.“ Wie Recht sie hatte.

Die Andere hielt es dann irgendwann nicht mehr aus, das Ganze zog sich auch für sie schon bald ein Jahr. Durch eine ihrer Freundinnen wurde meine Mitarbeiterin mit reingezogen, in meinem Geschäft. Es wurden Fotos gezeigt, die meinen Ex und die Andere zeigten, da war ein Punkt erreicht, an dem ich Konsequenzen ziehen musste. Zusätzlich erwischte ich dich beim Lügen: Du wärst bei deinem besten Kumpel, warst du natürlich nicht.

Und nicht mal dann konntest du es mir sagen, auf meine Frage, ob du nicht mehr willst. Du nicktest nur. Du zogst aus und hinterließt auch noch ein Herz aus Kaffee, ich brach in der Küche zusammen.

Ich weiß heute nicht, wie ich das zu der Zeit geschafft habe, meine Familie und Freunde haben mich gut aufgefangen, mir geholfen, mich unterstützt, mir zugehört, Essen vorbeigebracht.

Jetzt, ein halbes Jahr später, ist tatsächlich der Großteil des Hauses fast fertig – unglaublich. Ich habe so viel geschafft und ein ein so tolles soziales Netz.

Ich hatte ein paar Dates, war auch kurz verliebt (ist gescheitert, weil ich ein Haus habe, aber das ist eine andere Geschichte). Ich musste lernen, alleine zu sein, zu flirten, Decken zu spachteln, Lampen zu verkabeln, mich wieder finden, Neues ausprobieren, mein Selbstbewusstsein wieder aufbauen, wieder anfangen zu leben anstatt verzweifelt etwas zu halten, was schon längst gegangen war.

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