Ich bin ziemlich schüchtern und vielleicht deshalb dauerte es lange, bis ich dich mit diesem komischen Gefühl konfrontierte, das du in mir ausgelöst hattest. Aber du hast alles abgestritten, gesagt, es sei nichts, alles sei gut mit uns. Heute glaube ich, dass du das damals sogar ehrlich meintest, dass du selber nicht einmal realisiert hast, was für eine Anspannung du in unsere Beziehung getragen hast. Ich glaube, du wolltest nichts Böses, du hast für dich selbst einfach keinen anderen Weg gesehen.
Meine Zweifel wurden größer und ich bemerkte, dass es Selbstzweifel waren. Ich glaubte immer stärker, etwas falsch zu machen. Dir nicht gut zu tun mit meinem Verhalten, deine Wünsche nicht ernst genug zu nehmen, dich als Menschen nicht genug wertzuschätzen – und meine Angst, dich zu verlieren, die wuchs auch. Ich beschloss, hart an mir zu arbeiten, denn ich liebte dich ja schließlich, das stand außer Frage. Ich verbog mich, opferte Freundschaften, ließ mein Leben um dich drehen, noch stärker als zuvor. Ich glaubte damals, wenn ich mir nur noch mehr Mühe geben und immer für dich da sein und dir alle deine Wünsche von den Lippen ablesen würde, dann würde sich alles wieder einrenken und damit auch dieses schreckliche Anspannungsgefühl verschwinden, unter dem ich zunehmend litt. Aber so war es leider nicht. Meine Opfer verbrannten, Rauch stieg auf, verflüchtigte sich – und schon gabst du mir das Gefühl, noch mehr „liefern“ zu müssen.
Wir lachten weniger und ich wurde zu einer schüchternen Frau, die nicht nur schüchtern ist, sondern auch unheimlich still.
Perfide, echt perfide: Du erschufst das Bild eines starken, unabhängigen, in sich ruhenden Mannes – und ich nahm es dir ab, hörte nicht auf meine innere Stimme, die mir sagte, dass du das alles gar nicht bist, dass auch du dunkle Seiten hast, Wunden, Schmerzen und viele, viele Ängste. Vor allem die Angst, mich zu verlieren. Das kam alles erst sehr viel später ans Licht.