Und ich habe dich auch in den Wahnsinn treiben können. Mit allerlei kleinen misstrauischen Kommentaren, gar Verboten. Oder mit meiner Art immer an mir und meine Fähigkeiten zu zweifeln. Oder was weiß ich, was dich eigentlich so wütend gemacht hat in diesen Momenten. Vielleicht hatte es auch gar nichts mit mir zu tun, sondern mit deinen eigenen inneren Konflikten, die du nie zeigst. Mit deinem Vater, über den du nie redest. Oder mit deiner Ex-Freundin. Oder mit deinem Kollegium, von dem du nie die Anerkennung bekamst, die du dir eigentlich gewünscht hast und die du für deine harte Arbeit verdient hättest. Vielleicht haben diese Probleme dich dazu gebracht, wieder und wieder gegen mich die Stimme zu erheben oder mir zu sagen, wo ich Schwachstellen habe.
Ich habe dich so geliebt und ich habe mich total abhängig gemacht. Habe viel zu lange keine Grenzen aufgezeigt, weil ich immer wollte, dass du glücklich bist und dass die Harmonie erhalten bleibt. Und du hast diese Macht, die ich dir über mich gegeben habe, von Zeit zu Zeit genommen und in mir furchtbare Gefühle provoziert. Einfach, weil du konntest. Oder weil du sehen wolltest, wie sehr ich dich liebe. Den Beweis hast du dann gehabt, wenn ich heulend und wütend irgendwas geschmissen habe oder dich geschlagen und getreten habe. Einfach um diese Gefühle loszuwerden, die deine gehässigen Kommentare, unerbittlichen Nicht-Reaktionen oder gefühlskalten Drohungen mich zu verlassen in mir ausgelöst haben. Oder wenn ich dann letztendlich weinend in deinem Arm gelegen habe, erleichtert, dass du wieder einmal doch nicht Schluss machen wolltest.
Und dann habe ich Schluss gemacht. Von einem Tag auf den anderen. Es ging so schnell. Ich war an meinen Grenzen angekommen und ich musste die Notbremse ziehen, um nicht total in dieser toxischen Dynamik unterzugehen. Und ich habe dich verlassen, obwohl du weinend vor mir gekniet hast und mich angebettelt hast, nicht zu gehen, mir immer und immer wieder gesagt hast, wie sehr du mich liebst. Aber ich musste den Schlussstrich ziehen. Seitdem haben sich die Stresssymptome gebessert, ich bin nicht mehr das klapprige Etwas, das ich irgendwann in unserer Beziehung geworden bin.
Doch die Emotionen sind geblieben. Mal mehr oder weniger stark, mal gänzlich irgendwo vergraben, so dass ich schon dachte, ich habe nun endlich alles verarbeitet und kann nach vorne sehen. Doch nun platzen Wunden plötzlich wieder auf und ich bin schockiert über die Heftigkeit. Und es ist mir ein Rätsel, woher das so plötzlich kommt. Vielleicht ist es, weil du nächste Woche einen runden Geburtstag feierst. Oder weil ich mittlerweile wieder in einer Beziehung bin, in der ich Nähe erfahren darf, aber merke, wie schwer es mir manchmal fällt, diese nach all dem, was mit dir letztes Jahr war, überhaupt zuzulassen. Oder weil ich eben in dieser Beziehung merke, was ich für Schwächen mitbringe, wie emotional instabil ich bin, was mich an unsere Beziehung erinnert.
Die Dinge, die du mir damals immer gesagt hattest, die ich nicht wahrhaben wollte oder gänzlich auf dich schieben wollte, werden mir jetzt tatsächlich als meine Baustellen bewusst vor Augen gehalten. Das tut weh. Zu merken, dass du nicht allein schuld an unseren Problemen warst, worauf ich mich lange ausgeruht habe, nein, ausruhen musste, um mich überhaupt von dir distanzieren zu können. Ich musste irgendwann anerkennen, dass zu einer Grunddynamik immer zwei gehören. Und das ist gar nicht leicht.