Wie wir die Liebe wiederfinden

Alles soll perfekt sein: der Job, das Aussehen, das Zuhause, die Beziehung. Das Ergebnis ist ein Gefühl des Ungenügens. Und die Liebe? Bleibt auf der Strecke. Fragen an die Psychologin Lena Kornyeyeva

Viele Singles sind nicht glücklich mit ihrer Situation und sehnen sich langfristig nach einer Partnerschaft. Die Psychologin Lena Kornyeyeva schildert die Ursachen und die Folgen der um sich greifenden Vereinsamung und zeigt Wege aus der Single-Falle.

Viele Beziehungen geraten in die Krise, weil sich ein oder auch beide Partner “alles anders vorgestellt haben”. Beginnt der Fehler bei der Partnerwahl oder mangelt es an realistischen Beziehungs-Vorstellungen?

Lena Kornyeyeva: Es trifft beides zu und beides ist alltäglich: Alle Menschen sehnen sich nach Liebe und Zweisamkeit und sind manchmal deswegen bereit, eher eine unbefriedigende Beziehung einzugehen als gar keine. Sie unternehmen womöglich alles, nur damit sie nicht alleine bleiben – aber ausgerechnet das ist die schlechteste Voraussetzung für eine gute Partnerwahl.

“Ich gerate immer an die Falschen” ist ein häufiger Ausspruch von frustrierten Singles. Was lässt sich dagegen tun?

Diejenigen, die diese Aussage unterschreiben können, sollten sich selbst nach unbewusst eingeschliffenen Verhaltensmustern befragen. Um aus dem eigenen Muster herauszufinden, sollte man für sich selbst definieren, welche Erwartungen man an eine Beziehung hat. Man kann das sogar aufschreiben, einmal ganz ehrlich formulieren. Das erweist sich oft als eine überraschend schwere Aufgabe – gerade, wenn man nicht nur ein paar Allgemeinheiten nennt, sondern sich wirklich nach seinen eigenen Wünschen und Hoffnungen befragt und sich derer bewusst wird. Man kann so auch herausfinden, weshalb man immer wieder einen Partner trifft, der zuerst bestimmte Wünsche erfüllt, Gefühle trifft und diese hervorruft, der sich aber, da er andere vielleicht wesentlichere Wünsche nicht erfüllt, als der „Falsche“ erweist.

Man kann eigene Verhaltensmuster nur bewusst umstellen; dazu gehört auch, dass man sich bewusst macht, welche Streicheleinheiten man benötigt und wie man diese bekommen kann.

Prinzessin Lillifee im Kinderzimmer, “Germanys next Top Model” im Teenager-Alter. Kann man Mädchen so auf das (Beziehungs)-Leben vorbereiten?

Eltern und deren Beziehungen besitzen für Kinder die wichtigste Vorbildrolle. Kinder beobachten, wie Eltern miteinander und mit Anderen umgehen. Wenn Kinder harmonische Elternbeziehungen erleben, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie diese Erfahrungen in ihrem eigenen Leben wiederholen. Wenn sie hingegen das zuhause Erlebte um jeden Preis vermeiden wollen, dann werden sie versuchen, etwas anderes aufzubauen, dann bekommen auch andere Vorbilder und Einflüsse, mit denen aber keine eigene Erfahrung gemacht wurden, eine große Rolle.

Das Klischee sagt “Nähe-Frau findet Distanz-Mann”. Wie beziehungsunfähig sind Singles?

Das funktioniert übrigens genauso häufig umgekehrt. – Jeder sucht sich den Partner, der ihn mit gewünschten Streicheleinheiten versorgt. Die „emotionale Ernährung“ ist die Basis jeder Beziehung. Manche Menschen gehen dennoch unbewusst immer wieder Beziehungen ein, in denen der Partner vor der Nähe wegrennt, in denen sie dann selbst Zurückweisungen als „emotionale Ernährung“ unbewusst benötigen. Oft scheint dieser Ablauf in einer Beziehung fast zwangsläufig zu sein – und doch kann man als Single das Muster durchbrechen, wenn man sich die eigenen Wünsche und Erwartungen bewusst macht und genau diese Erwartungen dem gewünschten Partner kommuniziert. Scheinbar beziehungsunfähig sind nur die, die nicht über sich selbst reflektieren, die nicht mit Anderen sprechen, die immer im selben Trott bleiben.

Ist Versingelung mehr ein persönliches oder mehr ein gesellschaftliches Problem? Wie sehr fehlt uns die Großfamilie von früher, wo die Oma auch mal das Kind hüten konnte?

Natürlich begünstigt die moderne Gesellschaft die Vereinzelung, die „Lonelyfication“. Karrierestreben und Konsumdenken sind dann oft Ersatzhandlungen, um die emotionale Einsamkeit zu überspielen. Und jeder Mensch leidet dann ganz für sich alleine, häufig selbst in einer Menschenmenge. Aber jeder Einzelne hat auch in der modernen Welt die Möglichkeit, aus der Vereinsamung herauszukommen, hat die Chancen, die Streicheleinheiten, die er benötigt, auch zu bekommen. Er muss dann vielleicht ganz bewusst die (häufig irrelevanten) Anforderungen der Gesellschaft abwehren und lernen, sein eigenes erfüllendes Leben zu führen.

Wer Sehnsucht hat, in einer Familie zu leben, der soll nicht nur über Vereinzelung klagen, sondern beispielsweise aktiv ein soziales Netz aufbauen, so dass die Rolle, die früher die Großeltern einnahmen, heute vielleicht von Freunden ausgefüllt wird. Niemand sollte die eigenen Gestaltungsspielräume in seinem Leben unterschätzen. Allerdings muss man diese Spielräume immer öfter durchsetzen – gegen die Erwartungshaltung der Anderen, gegen den gesellschaftlichen Druck (zum Beispiel am Arbeitsplatz).

Lena Kornyeyeva:
“Die Single-Falle – Frauen und Männer in Zeiten der Selbstverwirklichung”
ISBN: 978-3-453-26997-2
€ 14,99
erhältlich im Heyne Verlag


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