Teenie-Liebe versus erwachsene Beziehung – Gastautorin Friederike Schön meint, wir sollten uns das Beste von beidem merken für alle Zeit
Woran man merkt, dass man erwachsen geworden ist? Spätestens, wenn man zur besten Freundin sagt: „Ach, weißt du, erst mal abwarten.“ Wenn uns ihre „Und, seid ihr jetzt zusammen, bist du glücklich?“-Fragerei nur ein abgeklärtes Schulterzucken entlockt. Und ein verschmitztes Grinsen. Spätestens dann ist es soweit. Zumindest nach außen bemühen wir uns um Klarheit und setzen alles daran, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das von so einigen Kratzern und Narben gezeichnete Herz ist eben ein aus vielen Erfahrungen „erwachsenes“. Inzwischen wissen wir besser auf uns aufzupassen. Trotzdem lohnt sich ein Blick in die eigene Liebesgeschichte. Wie haben wir früher geliebt, was war daran schlechter, was vielleicht besser? Was können wir mitnehmen, was sollten wir lieber zurücklassen? Ein Vergleich.
1. Früher blieben wir „Ich“, später sind wir mehr „Wir“
Unmöglich, mit 16 nur noch in der Wir-Form zu sprechen. „Wir wollten uns auch schon melden. Danke, uns geht’s gut.“ Undenkbar! Man ritzte Herzen in alte Eichen, fuhr mit den Eltern ans Mittelmeer und mit ihm und der Clique übers Wochenende zelten. Aber wehe, er klebte an uns wie das vom Rockkonzert nassgeschwitzte T-Shirt. Niemals gaben wir uns selbst für jemanden auf. Und manches Mal brach uns unsere Absolutheit das Genick. Zumindest in Liebesdingen: Es krachte schnell, alles war dramatisch (“Wenn du das machst, mach ich Schluss!”), man versöhnte sich heftig. Ein wenig zu heftig.
2. Als Teenie l(i)eben wir unabhängig und frei
Erwachsenenliebe neigt dazu, Opfer zu bringen und faule Kompromisse zu machen. Früher gönnten wir uns jede Freiheit: Urlaub mit der besten Freundin, ausgefallene Hobbys, ein Auslandsjahr – keine Liebe, die uns als Teenie ausbremsen kann. Keine Chance, die wir wegen eines Typen sausen lassen. Nach dem Motto: Wenn’s nicht hält, dann eben nicht.
3. Junge Liebe ist flatterhaft, ihr fehlt die Ernsthaftigkeit
Heißt es. Als Erwachsene gehen wir die Sache fast schon betriebswirtschaftlich an – wägen wir Chancen und Risiken ab, kalkulieren die Stärken, Schwächen und Gefahren einer Beziehung. Beziehen den anderen in unsere Lebenspläne ein. In dem Gefühl, bloß keine Zeit zu verlieren, werden die wichtigen Punkte abgeklopft: Mag ich seine Eltern? Will er Kinder, übernimmt er Verantwortung? Welche Eigenheiten stören mich an ihm? Ist er verlässlich – Fels in der Brandung oder Fähnchen im Wind?
4. Erwachsene Paare schmieden große Pläne
Gemeinsam erschaffen wir uns Bilder von der Zukunft, vom Leben zu zweit. Schon bevor das eigentliche Fundament der Beziehung steht, man die Witze des anderen bereits vor der Pointe versteht, seine wunden Punkte, Ecken und Kanten kennt, entwerfen wir alle möglichen Szenarien: wir beide mit dem Rucksack quer durch Südamerika, er und ich und das Strandhaus auf der Karibik-Insel. Die gemeinsame Wohnung. Als Teenies planen wir höchstens bis übermorgen. Oder bis zum nächsten Festivalwochenende.
5. Früher wusste man, woran man war
Zumindest die vor 1990 Geborenen erinnern sich noch, wie das war, ohne Handy. Über Stunden nicht erreichbar, fieberte man dem Moment des Nachhausekommens entgegen. Hatte er angerufen? Wenn ja (was, fünf Mal?), dann war die Sache mit uns klar. Der erste Kuss besiegelte es dann. Man fand sich toll und nahm jede glückliche Welle wie ein Surfer. Jeder Tag der perfekte Tag. Im Zeitalter der Flirt-Apps verwischen die Verbindlichkeiten, versucht man sich unnahbar zu geben, um Verletzungen vorzubeugen, verschanzt seine Gefühle hinter gespielter Lässigkeit. Und bleibt vielleicht ewig auf der Suche.
Wenn wir erwachsen werden und lieben, geht uns ein großer Teil der früheren Leichtigkeit und Offenheit flöten, dafür ziehen Schwere und Ernsthaftigkeit bei uns ein. Verunsicherung. Zu groß ist der Wunsch nach Sicherheit und Planbarkeit. Gar nicht so schlecht, denn das macht uns kompromissbereit und ein Stück nachsichtiger. Man stellt nicht beim kleinsten Gewitter alles in Frage, hat einen längeren Atem. Und klar geht lieben leichter, wenn man nicht darüber sprechen muss, wer den Müll rausbringt und die Bankanweisung macht. Aber trotzdem: Dabei vergessen wir manchmal, die Dinge einfach laufen zu lassen und zu genießen, was jetzt da ist.
Dabei wartet die nächste Welle schon am Horizont. Es wäre schade, sie zu verpassen.