Bin ich zu verkorkst, um eine gesunde Beziehung zu führen?

Katastrophendates gehörten schon fast zu meinem Alltag. Für viele in meinem Umfeld war ich bekannt als hoffnungsloser Dauer-Single. Und mit der Zeit gewann ich zunehmend den Eindruck, dass etwas nicht mit mir stimmen würde. Dass Amor lieber einen großen Bogen um mich machte. Doch dann kam alles anders.

Auf der verflixten Suche nach meinem Seelenpartner

„Du führst eben das typische Großstadt Singleleben. Genieß es! Aber für mich wäre das nichts.“

Diese Aussage meiner Freundin hat gesessen. Sie meinte das keineswegs böse und doch trafen mich ihre Worte mitten ins Herz.

Seit sechs Jahren lebte ich zu diesem Zeitpunkt schon in Frankfurt am Main und wohl keiner aus meinem Freundeskreis hatte so kuriose Geschichten über das eigene Singleleben zu berichten wie ich. Ich war schon immer eine gute Geschichtenerzählerin und meine Storys sorgten zweifelslos für Unterhaltung. Doch tief in mir fühlte ich mich zunehmend einsam. Einsam und so, als ob etwas nicht mit mir stimmen würde. Wie konnte es sein, dass ich mir all die Jahre größte Mühe gab, mich in meiner Persönlichkeit weiterzuentwickeln und trotz zahlreicher Dates mit Männern fast ausschließlich von Reinfällen zu erzählen hatte? Stimmte etwas nicht mir? War ich zu verkorkst, um eine gesunde Beziehung zu führen?

Die Online-Dating-Plattformen waren schon beinahe zu meinem zweiten Zuhause geworden und abgesehen von zwei Kurzzeitbeziehungen, die Telenovela reif waren (nur eben ohne Happy End), hatte ich wenig mit ernstzunehmenden Liebesbeziehungen am Hut.

Ich möchte damit nicht sagen, dass ausschließlich die Männer für die Turbulenzen in meinem Liebesleben verantwortlich waren. Dazu gehören immer noch zwei. Zwar gab es einen Mann, der mir seine ausgeprägte Drogensucht verschwieg oder dieser andere, der behauptete Astrophysiker zu sein, nur um mir zu imponieren, weil er wusste, dass ich mich für das Universum begeisterte. Aber es gab eben auch Männer, die ernste Absichten mit mir hatten, die ich allerdings innerhalb kürzester Zeit vergraulte, weil ich sie in die Schublade „langweilig“ steckte.

Intensität, Feuer und Leidenschaft­, davon träumte ich. Das konnte doch nicht so schwer zu finden sein, oder? War es aber. Mit der Zeit machte es für mich den Anschein, als ob dieser Wunsch einer Utopie gleichen würde. Zumindest dann, wenn ich eine gesunde und harmonische Beziehung führen wollte. Ich haderte mit meiner Wunschvorstellung und war dennoch nicht bereit, eine Beziehung mit einem Mann einzugehen, der nicht genau meinen Vorstellungen entsprach.

Auf der Reise zu mir selbst

Dank der Zusammenarbeit mit meinem damaligen Psychotherapeuten verstand ich, dass ich beim Dating bindungsängstliche Verhaltensweisen aufwies. Ich entschied mich für Männer, die mir nicht gut taten, um dadurch einen Grund zu haben, wieder schnellstmöglich die Flucht ergreifen zu können. So war ich immer auf der vermeintlich sicheren Seite. Die Seite der Ungebundenen, auf der das Risiko verletzt zu werden, scheinbar weniger hoch war. Auch meine negativen Glaubenssätze beeinflussten mich bei meiner Männerwahl mehr, als mir lieb war. Tief in mir glaubte ich, dass ich es nicht wert sei, von einem Mann geliebt zu werden. Also begab ich mich in ungesunde Beziehungen und bestätigte somit unbewusst immer wieder diesen negativen Glaubenssatz.

Leider wissen wir alle, dass es verdammt harte Arbeit ist, aus Verhaltensmustern auszubrechen. Harte Arbeit, die viel Geduld und Zeit benötigt. Doch ich war mehr als bereit, es anzupacken. Also legte ich eine längere Dating-Pause ein, um den Fokus wieder primär auf mich und mein Wohlbefinden zu richten. Diese Zeit tat mir sehr gut, da ich neue, wichtige Erkenntnisse gewann und auf der Reise zu mir selbst ein Stück weit mehr zu mir fand.

Nach dieser Pause ging ich sie wieder an, die Suche nach meinem Seelenpartner. Sie erwies sich allerdings als mäßig. Es war ein Auf und Ab. Es wäre auch ein Irrglaube gewesen zu denken, dass solch eine Dating-Pause direkt zum gewünschten Ergebnis führt. Gut Ding will eben Weile haben.

Wie ein Schicksalsschlag mein Leben auf den Kopf stellte

Letztendlich sollte ein halbes Jahr später ein schlimmer Schicksalsschlag mein Leben komplett auf den Kopf stellen. Mein Vater erlitt einen Unfall und wurde aufgrund eines schweren Schädel-Hirn-Traumas zu einem Pflegefall. Dieses Ereignis veränderte mich. Es mischte die Karten nochmal neu und Prioritäten verschoben sich. Mir wurde dadurch vor Augen geführt, wie wertvoll unsere Zeit und die mit unseren Liebsten ist. Lebenszeit wurde unglaublich kostbar für mich und deshalb wollte ich sie von nun an nur noch mit Menschen verbringen, mit denen ich gemeinsam wachsen kann. Menschen, mit denen ich eine Beziehung auf Augenhöhe führen kann. Solch eine, die geprägt ist von Wertschätzung, Respekt und Verständnis.

Während meines Trauerprozesses, nachdem eine dunkle Lebensphase hinter mir lag, verspürte ich irgendwann die Lust auf ein Abendteuer. Ich wollte wieder farbvolle Momente erleben und so kam es, dass ich meinen Online-Dating-Account reaktivierte und mich nach kurzer Zeit mit einem Mann verabredete. „Mach dir keine Sorgen, ich will einfach nur eine gute Zeit haben und entspannt ein paar Bierchen trinken.“, sagte ich noch vor der Verabredung zu meiner besten Freundin, die in Sorge war, das nächste Katastrophendate würde sich anbahnen.

Unverhofft kommt oft

Es kam jedoch anders, denn an diesem Abend lernte ich meinen jetzigen Partner kennen. Auch wenn das kitschig klingt, aber wir verliebten uns bereits nach wenigen Stunden ineinander. Noch nie zuvor konnte ich mit einem Mann so viel lachen und mich gleichzeitig über ernste Themen unterhalten. Mit ihm fühlte es sich leidenschaftlich, intensiv und feurig an. Und dennoch auch ruhig, beständig und vertraut. Genau nach dieser Mischung suchte ich so viele Jahre. Nun hatte ich sie gefunden und kann mein Glück manchmal noch immer nicht so ganz fassen.

All die Jahre habe ich geglaubt, dass ich zu verkorkst und kompliziert sei, um eine gesunde Beziehung zu führen. Dass ich zu viel sei, um für eine langfristige Beziehung in Frage zu kommen: Zu sensibel, zu emotional, zu stürmisch, zu viel. Doch für meinen Freund war ich von Anfang an genau richtig, so wie ich bin. Er liebt mich nicht trotz meiner „negativen Seiten“, sondern auch wegen ihnen, wie er immer so schön sagt.

Wir alle sind genug, so wie wir sind

Wir alle haben es verdient, aufrichtig geliebt zu werden. Auch dann, wenn wir an manchen Tagen das Gefühl haben, wir seien diese Liebe nicht wert. Genauso haben wir es alle verdient, eine wertschätzende und harmonische Beziehung zu führen, auch wenn wir tief in uns glauben, wir wären dafür nicht gut genug. Doch lasst uns nicht vergessen: wir alle sind genug, so wie wir sind.

Ein Hoch auf die (Selbst-) Liebe!


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